Datenbank zur Rechtsprechung im Kommunalrecht

Kommunalrechtliches Vertretungsverbot und Kommunalverfassungsstreit; Ausschussbesetzung durch Verhältniswahl

BVerwG, Beschluss vom 08.12.1955 - Az.: I B 8.55

Leitsätze:

1. Landesrechtliche Vorschriften, die für die Wahl der Gemeindeausschüsse durch die Gemeindevertretung das Verhältniswahlsystem vorschreiben, widersprechen nicht dem Grundgesetz. (amtlicher Leitsatz)

2. Streitigkeiten innerhalb der Organe der Gemeinde sind keine Verfassungsstreitigkeiten im Sinne des MRVO Nr 165 § 22 Abs 1. (amtlicher Leitsatz)

3. Soweit durch landesrechtliche Vorschriften Mitgliedern der Gemeindevertretung verboten ist, Ansprüche anderer gegen die Gemeinde geltend zu machen, sind die von einem Bevollmächtigten entgegen diesem Verbot vorgenommenen Prozesshandlungen jedenfalls so lange nicht unwirksam, bis er durch das Gericht zurückgewiesen wird. (amtlicher Leitsatz)

4. Ein Mitglied der Gemeindevertretung ist auch dann, wenn landesrechtliche Vorschriften ihm verbieten, Rechtsansprüche anderer gegen die Gemeinde geltend zu machen, nicht gehindert, in innerorganischen Streitigkeiten die Minderheit der Gemeindevertretung gegenüber der Mehrheit zu vertreten. (amtlicher Leitsatz)

Kategorien:

Volltext

Tatbestand

Am 21. November 1952 beschloß der Rat der Stadt Marl mit Stimmenmehrheit, den Haupt- und Finanzausschuss mit 11 Mitgliedern zu besetzen. Anschließend gab der Bürgermeister bekannt, die Mitglieder des Ausschusses seien nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen. Eine Wahl wurde nicht durchgeführt. Vielmehr wurden die Ausschußsitze auf die vier Fraktionen des Rates nach Maßgabe ihrer Stärke auf der Grundlage des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens verteilt und die Benennung der Ausschussmitglieder den Fraktionen überlassen. Am 8. Dezember 1952 beschloss der Rat einstimmig, sechs weitere Ausschüsse einzurichten, und beschloss dann mit Stimmenmehrheit, die Sitze in den neuen Ausschüssen wie beim Haupt- und Finanzausschuss zu verteilen.

Die Kläger halten die Beschlüsse vom 21. November und 8. Dezember 1952 insoweit für rechtswidrig, als der Rat mit diesen Beschlüssen keine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt habe. Sie haben beantragt, die Besetzung der Ausschüsse nach Maßgabe dieser Beschlüsse für rechtsungültig zu erklären.

Das Landesverwaltungsgericht Münster hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1954 zurückgewiesen worden.

Das Oberverwaltungsgericht führt im wesentlichen folgendes aus: Kläger seien nicht die im Urteil des Landesverwaltungsgerichts genannten Fraktionen, sondern ihre Mitglieder. Denn diese hätten die Vollmacht zur Klageerhebung erteilt, und sie kämpften mit der Klage um das Recht, die Ausschüsse des Rates nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen und nach denselben Grundsätzen in die Ausschüsse gewählt zu werden. Die Urteilsaufschrift sei entsprechend berichtigt worden. Aus denselben Gründen werde das Rechtsschutzbedürfnis bejaht. Für die Sachentscheidung komme es darauf an, ob die Gemeindeordnung dem Rat freie Hand bei der Zusammensetzung seiner Ausschüsse gewähre. Das sei nicht der Fall. Nach § 35 Abs. 2 letzter Satz der Gemeindeordnung seien Wahlen zu den Ausschüssen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen. Die Gemeindeordnung schreibe hier zwingend vor, dass diese Wahlen stattfinden müssten, und daß die Ausschußsitze nach dem Wahlergebnis zu verteilen seien. Der Hinweis des Rates auf die §§ 41 und 42 der Gemeindeordnung führe zu keinem anderen Ergebnis. § 41 Abs. 1 der Gemeindeordnung besage nicht mehr, als dass der Rat berechtigt sei, Ausschüsse zu bilden. Über das Verfahren besage er nichts. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung regele der Rat die Zusammensetzung der Ausschüsse. Es könne aber nicht der Sinn dieser Vorschrift sein, daß der Rat mit Stimmenmehrheit darüber beschließen könne, wen er in die Ausschüsse entsende, weil dadurch die damit im Zusammenhang stehende Vorschrift des § 35 Abs. 2 letzter Satz der Gemeindeordnung sinnlos würde. Nur unter einer Voraussetzung dürfe der Rat von der Verhältniswahl absehen, dann nämlich, wenn alle Ratsmitglieder sich vorher auf einen einheitlichen Wahlvorschlag einigten und innerhalb dieses Wahlvorschlages die auf die einzelnen Gruppen des Rates entfallenden Zahlen aufschlüsselten. Ein einstimmiger Ratsbeschluss liege hier nicht vor. Es habe daher, was nicht geschehen sei, im förmlichen Verfahren nach § 35 Abs. 2 letzter Satz der Gemeindeordnung gewählt werden müssen. Sämtliche hiergegen vom Rat erhobenen Einwände seien rechtlich unbegründet. Ob das hier eingeschlagene Verfahren des Rates den Rechtsgrundsätzen entspreche, die zur Zeit der Weimarer Verfassung gegolten hätten, sei nicht erheblich. Ebenso komme es auch nicht darauf an, welches Verfahren in den anderen Ländern der Bundesrepublik gelte, und was in anderen Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen tatsächlich üblich sei. Der Rat berufe sich zu Unrecht auf das Verfahren, in dem im allgemeinen die Ausschüsse des Bundestags und des Landtags besetzt würden. Das Verfahren gehe, soweit der Bundestag und der Landtag in Betracht kämen, auf die Vorschriften des Grundgesetzes und der Landesverfassung zurück, die den Bundestag und den Landtag ermächtigten, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Die Vorschriften dieser Geschäftsordnungen könnten hier auch nicht sinngemäß angewendet werden, weil § 35 Abs. 2 letzter Satz der Gemeindeordnung bestimmt habe, dass die Ausschüsse nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen seien. Es verletze auch nicht Art. 28 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 78 der Landesverfassung, wenn etwa die Wahl der Ausschüsse dazu führe, dass in diesen nicht die gleiche Mehrheit wie im Rat vorhanden sei. Im Grundgesetz sei über die hier zu prüfende Frage nichts enthalten und könne auch nichts enthalten sein, weil dem Bund die Gesetzgebung hierüber nicht zustehe; insbesondere besage Art. 28 des Grundgesetzes nichts Gegenteiliges. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 78 der Landesverfassung. Das Landesverwaltungsgericht habe hiernach mit Recht ausgesprochen, daß die nach den Beschlüssen des Rates vom 21. November und 8. Dezember 1952 vorgenommene Verteilung der Ausschusssitze rechtswidrig sei.

Die Revision ist vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden.

Hiergegen hat der Beklagte Beschwerde erhoben und zugleich gegen das Urteil selbst gemäß § 54 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht Revision eingelegt. Er macht geltend: Es sei eine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob den Grundsätzen des republikanischen und demokratischen Rechtsstaates im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes nur dann Genüge getan sei und von einer Vertretung des Volkes nach seinem Wahlwillen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nur dann die Rede sein könne, wenn der Hauptausschuss als das verkleinerte Parlament der Gemeinde das Spiegelbild des Parlaments selbst sei, d.h. wenn seine politische Zusammensetzung dem von den Wählern zum Ausdruck gebrachten Willen entspreche. Der Beklagte rügt ferner:

a)

Es handele sich um eine Verfassungsstreitigkeit, über die nach § 22 Abs. 1 der Militärregierungs-Verordnung Nr. 165 die Verwaltungsgerichte nicht befugt seien zu entscheiden.

b)

Es mangele auch an dem nach § 44 der Militärregierungs-Verordnung Nr. 165 erforderlichen Einspruchsverfahren.

c)

Das Berufungsgericht habe einen Wechsel der Parteien und damit eine nach § 87 der Militärregierungs-Verordnung Nr. 165 ohne Einwilligung des Beklagten unzulässige Klageänderung vorgenommen.

d)

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger sei Ratsmitglied und deshalb nach § 24 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung nicht befugt, Ansprüche anderer gegen die Gemeinde geltend zu machen.

e)

Es sei auch unzulässig, daß eine Ratsminderheit gegen den gesamten Rat und damit gegen sich selbst Klage erhebe, ohne dass ein Vertreter, der dem Rat nicht angehöre, bestellt worden sei.

Schließlich macht der Beklagte geltend, dass die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 12. Januar 1954 abweiche. In dieser sei festgestellt, dass das Stärkeverhältnis zwischen den Fraktionen der Stadtvertretung nicht nur bei der erstmaligen Wahl sämtlicher ehrenamtlichen Magistratsmitglieder, sondern auch bei der späteren Berufung einzelner Ersatzmänner für ausscheidende Magistratsmitglieder zu beachten und aufrechtzuerhalten sei.

Gründe

1) Materiell stützt sich das angefochtene Urteil auf die Anwendung und Auslegung von Vorschriften der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 28. Oktober 1952 (GVBl. S. 283). Diese Vorschriften sind nicht Bundesrecht; denn das Gemeindeverfassungsrecht gehört nicht zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Nach § 56 Abs. 1 S. 1 BVerwGG kann die Revision aber nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung von Bundesrecht beruhe. Nach § 26 BVerwGG in Verbindung mit § 562 ZPO wäre demnach die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Inhalt der Gemeindeordnung für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend, so dass es zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen aus der Gemeindeordnung im Revisionsverfahren nicht kommen kann.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen aber auch keine im Revisionsverfahren zu klärenden grundsätzlichen Rechtsfragen vor, die mit dem Bundesrecht im Zusammenhang ständen. Der Beklagte meint, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob den Grundsätzen des republikanischen und demokratischen Rechtsstaates nur dann Genüge getan sei und von einer Vertretung des Volkes nach seinem Wahlwillen nur dann die Rede sein könne, wenn der Hauptausschuss als das verkleinerte Parlament der Gemeinde das Spiegelbild des Parlaments selbst sei. Er will damit offenbar zum Ausdruck bringen, daß die Anwendung des Verhältniswahlsystems auf die Wahl der Gemeindeausschüsse, wie sie nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften Platz zu greifen hat, mit Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) nicht vereinbar sei.

Das Grundgesetz hat die Frage des Wahlsystems für die zu wählenden Organe des Bundes offengelassen (Art. 38 Abs. 3 GG). Es hat lediglich in Art. 38 Abs. 1 GG festgelegt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen sind. Gegen diesen Grundsatz verstößt das Verhältniswahlsystem nicht. Im Sinne des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) würde es deshalb auch liegen, wenn die Länder ihre eigene verfassungsmäßige Ordnung und die Ordnung ihrer Gebietskörperschaften nach dem Verhältniswahlsystem ausrichteten, sofern nur im übrigen die Grundsätze des allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlrechts gewahrt bleiben. Etwas anderes besagt auch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG nicht, wonach in den Ländern, Kreisen und Gemeinden das Volk eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Ist aber das Verhältniswahlsystem für die Wahl der Gemeindevertretung, des "Rates", nicht ausgeschlossen, so kann es auch für die von dem Rat vorzunehmenden Wahlen nicht grundgesetzwidrig sein. Darüber, dass bei der Zusammensetzung der von der Gemeindevertretung zu bildenden Ausschüsse etwa nur die in Fraktionsstärke vorhandenen Parteien oder Wählervereinigungen berücksichtigt werden dürften, oder dass bei solchen Wahlen der Zusammenschluss mehrerer Fraktionen oder Einzelmitglieder unzulässig wäre, besagt das Grundgesetz nichts. Andere bundesrechtliche Vorschriften können dem nicht entgegenstehen, da die Bildung der gemeindlichen Organe, von der einzigen Ausnahme des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG abgesehen, nicht zu der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehört.

Auch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG steht der landesrechtlichen Regelung der Bildung gemeindlicher Ausschüsse nicht entgegen. Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist den Gemeinden das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der öffentlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Bei der Regelung ihrer Angelegenheiten sind die Gemeinden demnach an die Schranken der Gesetze gebunden. Diese Gesetze dürfen allerdings nicht gegen die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung verstoßen. Die Einführung des Verhältniswahlsystems für die Bildung der gemeindlichen Ausschüsse stellt einen solchen Verstoß nicht dar. Denn sie besagt nichts anderes, als dass der Rat bei der Bildung seiner Ausschüsse seiner eigenen, auf den Wählerwillen innerhalb der örtlichen Gemeinschaft zurückgehenden Zusammensetzung in einem demokratischen Grundsätzen entsprechenden Wahlverfahren Rechnung zu tragen habe.

2) Auch die vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensrügen werfen keine grundsätzlichen Rechtsfragen auf.

a) Dass unter Verfassungsstreitigkeiten im Sinne des § 22 Abs. 1 der Verordnung der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 165 (VBl. für die britische Zone 1948 S. 263) Streitigkeiten unter Verfassungsorganen des Landes, nicht innerhalb gemeindlicher Organe zu verstehen sind, ist durch Schrifttum und Rechtsprechung hinreichend geklärt. Einer weiteren Klärung bedarf diese Frage hier schon deshalb nicht, weil jedenfalls für das Land Nordrhein-Westfalen der Kreis der Verfassungsstreitigkeiten in § 13 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof vom 4. März 1952 (GVBl. S. 35) erschöpfend festgelegt ist. Danach gehört zwar die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden der Gemeinden und Gemeindeverbände wegen Verletzung der Vorschriften der Verfassung über das Recht der Selbstverwaltung, nicht aber die Entscheidung über Streitigkeiten innerhalb der Organe einer Gemeinde zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs und damit zu den Verfassungsstreitigkeiten im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 27 Buchst. d) MRVO 165.

b) Da der vorliegende Fall nicht eine Anfechtungsklage, sondern eine andere (verwaltungsgerichtliche) Streitigkeit des öffentlichen Rechts zum Gegenstand hat, ergibt sich aus § 44 Abs. 1 MRVO 165, dass ein Einspruchsverfahren nicht stattzufinden braucht. Einer Klärung bedarf diese Frage nicht.

c) Zwar hat das Berufungsgericht die Aufschrift seines Urteils dahin berichtigt, dass nicht - wie im erstinstanzlichen Urteil - die Fraktionen der CDU und der FDP neben den beiden fraktionslosen Mitgliedern des Rates als Kläger aufgeführt worden sind. Jedoch ergibt sich daraus keine im Revisionsverfahren klärungsbedürftige Rechtsfrage über die Zulässigkeit einer Klageänderung nach § 87 MRVO 165. Denn das Berufungsurteil hat hierzu ausgeführt, dass die einzelnen Mitglieder der Fraktionen auf Grund der von ihnen erteilten Vollmachten von vornherein die Prozessbeteiligten gewesen seien. Damit sind diese Erwägungen des Berufungsurteils auf den Einzelfall abgestellt und werfen keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

d) Nach § 24 Abs. 1 S. 2 GO dürfen Ratsmitglieder Ansprüche anderer gegen die Gemeinde nicht geltend machen, es sei denn, dass sie als gesetzliche Vertreter handeln. Der Beklagte folgert hieraus, dass das Verfahren im vorliegenden Fall an einem wesentlichen Mangel leide, weil der Prozessbevollmächtigte der Kläger Mitglied des Rates sei. Jedoch ergibt sich auch hieraus keine zu klärende grundsätzliche Rechtsfrage. Denn es ist als geklärt anzusehen, dass Prozesshandlungen, die ein Bevollmächtigter entgegen dem Verbot des § 24 Abs. 1 Satz 2 GO vornimmt, jedenfalls so lange nicht unwirksam sind, bis das als Bevollmächtigter auftretende Ratsmitglied durch gerichtlichen Beschluß zurückgewiesen wird (vgl. Bayerischer VGH vom 19.061953 - VGH n.F. Bd. 6 S. 64 - und OVG Rheinland-Pfalz vom 01.03.1955 - AS Rh-Pf. Bd. 3 S. 180). Schon die Begründung zur Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RGBl. I S. 49), mit deren § 26 Satz 2 die Vorschrift des § 24 Abs. 1 S. 2 GO fast wörtlich übereinstimmt, führte aus, dass an die Verletzung des in § 26 Satz 2 ausgesprochenen Verbotes keine besonderen Rechtsfolgen geknüpft und Verstöße dagegen nach den Vorschriften des Dienststrafrechts, gegebenenfalls durch Zurücknahme der Bestellung zu der ehrenamtlichen Tätigkeit, zu ahnden seien. Ebenso ergab sich aus § 20 des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 (GS. S. 427), in dem den gemeindlichen Ehrenbeamten gleichfalls verboten wurde, Aufträge zur Geltendmachung von Ansprüchen Dritter gegen die Gemeinde zu übernehmen, dass ein Zuwiderhandeln gegen das Verbot nur gemeinderechtliche Folgen auslösen, aber nicht die Wirksamkeit der vorgenommenen Prozeßhandlungen berühren sollte. Es besteht keine Veranlassung, die entsprechende Vorschrift des § 24 Abs. 1 S. 2 GO anders auszulegen, zumal sogar Prozeßhandlungen eines Rechtsanwalts, gegen den im ehrengerichtlichen Verfahren ein Vertretungs- oder Berufsverbot erlassen ist, nicht unwirksam sind (§ 96 der Reichs-Rechtsanwaltsordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Februar 1936 - RGBl. I S. 107 -, § 112 der Rechtsanwaltsordnung für die Britische Zone vom 10. März 1949 - VBl. für die britische Zone S. 80 -; Friedlaender, JZ 1955 S. 305). Ob es einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen würde, wenn das Gericht einen gegen das Verbot des § 24 Abs. 1 Satz 2 GO auftretenden Prozeßbevollmächtigten nicht zurückweist, braucht in vorliegendem Fall nicht erörtert zu werden. Denn aus Wortlaut und Sinn des § 24 Abs. 1 Satz 2 GO folgt, dass ein Ratsmitglied nur dann von der Geltendmachung von Rechtsansprüchen anderer ausgeschlossen ist, wenn diese sich gegen die Gemeinde als solche richten. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Gemeinde als solche, sondern von Rechten der Minderheit gegen die Mehrheit des Rates, die der Prozessbevollmächtigte sowohl im eigenen Namen als auch als Vertreter der Minderheit geltend macht.

e) Der Einwand des Beklagten, es sei unzulässig, dass ein Ratsmitglied gegen den gesamten Rat und damit gegen sich selbst Klage erhebe, ohne dass ein Vertreter, der dem Rat nicht angehöre, bestellt worden sei, könnte die Frage aufwerfen, inwieweit einzelne Ratsmitglieder berechtigt sind, gegen einen von ihnen für rechtswidrig gehaltenen Beschluss des Rates das Verwaltungsgericht anzurufen. Diese Frage könnte auch grundsätzliche Bedeutung haben. Sie bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Klärung, da die klagenden Ratsmitglieder geltend machen können, durch den mit der Klage angegriffenen Beschluss des Rates in ihren Rechten verletzt zu sein (Art. 19 Abs. 4 GG). Jedenfalls schließt die MRVO 165 solche Klagen unter dem Gesichtspunkt "der anderen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts" (§ 22 Abs. 1 MRVO 165) nicht aus.

3) Der Beklagte macht schließlich geltend, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg abweiche. Jedoch kann hieraus die Zulassung nach § 53 Abs. 2 Buchst. c BVerwGG nicht gefolgert werden. Sinn des § 53 Abs. 2 Buchst. c BVerwGG ist, dass das Revisionsgericht bei abweichenden Entscheidungen oberster Verwaltungsgerichte der Länder die Einheit der Rechtsanwendung auf solchen Rechtsgebieten herzustellen hat, auf denen Bundesrecht gilt. Das Gemeindeverfassungsrecht ist - wie bereits ausgeführt - nicht Bundesrecht. Das Bundesverwaltungsgericht ist infolgedessen nach §§ 56 Abs. 1 Satz 1, 2 BVerwGG in Verbindung mit § 562 ZPO nicht in der Lage, die Rechtseinheit auf den in den einzelnen Ländern verschieden geregelten Gebieten des Gemeindeverfassungsrechts herzustellen. Infolgedessen kann § 53 Abs. 2 Buchst. c BVerwGG für diese allein der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgebiete keine Anwendung finden.