Kein Anspruch einer Fraktion auf Sitz in beschließendem Ausschuss
BVerwG, Beschluss vom 12.09.1977 - Az.: 7 B 112.77
Leitsätze:
Die Anwendung des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens bei der Besetzung von Gemeindeausschüssen verstößt auch dann nicht gegen Bundesrecht, wenn eine im Gemeinderat vertretene kleine Gruppierung keinen Sitz erhält; dies gilt auch dann, wenn eine andere, kleine Gruppierungen überdimensional begünstigende Berechnungsweise zur Zuteilung eines Sitzes führen würde. (amtlicher Leitsatz)
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Tatbestand
Die Kläger - als die beiden einzigen Kandidaten der FDP in den aus insgesamt 48 Mitgliedern bestehenden beklagten Gemeinderat gewählt - wenden sich gegen die Besetzung der vom Gemeinderat gebildeten beschließenden Ausschüsse, in denen sie nicht vertreten sind. Je zwei der insgesamt sieben beschließenden Ausschüsse bestehen aus 16, 13 und 10 Mitgliedern, ein Ausschuss aus 7 Mitgliedern des Gemeinderats; 28 der Sitze im Gemeinderat entfallen auf Kandidaten der CDU, 14 auf solche der SPD, 4 auf die FWV und die restlichen 2 auf die Kläger. Die Verteilung der Sitze in den Ausschüssen erfolgte gemäß § 10 Abs 3 Satz 1 der damals noch maßgebenden Ersten Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 31. Oktober 1955 (GBl. S. 235 ) in Verbindung mit § 21 Abs 1 des Kommunalwahlgesetzes idF vom 21. Juli 1965 (GBl. S. 185) nach dem d'Hondtschen Höchstzahlsystem.
Klage und Berufung waren ohne Erfolg.
Gründe
Auch die Beschwerde, mit der die Kläger die Zulassung der Revision erstreben, ist nicht begründet.
Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
132 Abs 2 Nr 1 VwGO liegt nicht vor. Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde die Frage, ob das Höchstzahlverfahren "bei Wahlen nach dem Verhältniswahlsystem in allen nur denkbaren Fällen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, dem sich aus dem Wesen der repräsentativen Demokratie ergebenden Prinzip der Gruppenrepräsentanz und dem Gebot eines Minderheitenschutzes vereinbar" ist. Diese Frage ist durch die bisherige Rechtsprechung hinreichend geklärt und rechtfertigt daher keine Zulassung. Dabei kann der Senat offenlassen, ob das Höchstzahlverfahren "in allen nur denkbaren Fällen" gerechtfertigt ist. Für den hier zu entscheidenden Fall steht dies jedenfalls außer Frage, ohne daß dies in einem Revisionsverfahren erneut bestätigt werden müsste. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Beschluss vom 08.12.1955 (BVerwGE 3, 30, 32 f.) ausgesprochen, dass landesrechtliche Vorschriften, die für die Wahl der Gemeindeausschüsse durch die Gemeindevertretung das Verhältniswahlsystem vorschreiben, nicht dem Grundgesetz widersprechen; diese Aussage schließt auch die Zulässigkeit des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens als des Verfahrens ein, das - jedenfalls im deutschen Rechtskreis - ganz überwiegend verwendet wird. Weiter hat sich der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 05.07.1973 - BVerwG VII B 2.73 - (VerwRspr 25, 599, 604) auf den Standpunkt gestellt, die Vereinbarkeit der Vorschriften des Gemeinderechts über die Auswahl von Vertretern (dort für den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde durch den Gemeinderat einer eingemeindeten Gemeinde) mit Bundesrecht sei nicht zu bezweifeln; die dort maßgeblichen Vorschriften sahen - wie hier - in einem Fall, in dem die Zahl der auszuwählenden Vertreter übrigens erheblich niedriger war als hier, die Anwendung des Höchstzahlverfahrens vor; der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 05.07.1973 im einzelnen mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit eine "Weitergabe der Repräsentation", wie sie hier in ähnlicher Weise von den Klägern unter Hinweis auf das "Prinzip der Gruppenrepräsentation" und das "Gebot des Minderheitenschutzes" verlangt wird, notwendig sei (aaO S. 603). Das Bundesverfassungsgericht hat die gegen den Beschluss des Senats vom 05.07.1973 erhobene Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und dabei betont, dass bei der Wahl der in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde zu entsendenden Gemeinderäte der Grundsatz der Wahlgleichheit und Chancengleichheit (Art.
3 Abs. 1 GG) nicht verletzt worden sei (Beschluss vom 18.09.1974 - 2 BvR 592/73 -), und damit auch das dort angewandte Höchstzahlverfahren für zulässig erklärt. Dem entspricht es, dass das Bundesverfassungsgerichts die Zulässigkeit des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens schon früher bejaht hat, obwohl dieses Verfahren nicht immer zu völlig proporzgerechten Ergebnissen führe (
BVerfGE 16, 130, 144); zutreffend hat schließlich das Berufungsgericht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.1961 (
BVerfGE 13, 243, 247 f.) hingewiesen, der es ausdrücklich für zulässig erklärt hat, die Mitgliederzahl des Rats in kleinen Gemeinden zu beschränken (ähnlich wie dies durch die Übertragung von Aufgaben auf einen beschließenden Ausschuss geschieht) und dadurch unter Umständen eine Sperrwirkung herbeizuführen, die nicht unerheblich größer ist als die durch die 5%-Klausel bewirkte Sperre (vgl dazu aaO S. 245). Vergleichbare sachliche Gründe rechtfertigen die Reduzierung der Mitgliederzahl von Ausschüssen; sie rechtfertigen es daher auch, dass kleine Gruppierungen in einem Ausschuss nicht vertreten sind. Der von den Klägern hervorgehobene Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes und der Gruppenrepräsentanz kann demgegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis führen (vgl auch BayVerfGH, Entscheidung vom 30.04.1976 in VGH nF 29 II 62 (89 ff., 94)); das Berufungsgericht hat im einzelnen ausgeführt und dargelegt, daß es keinen Rechtssatz gibt, der es gebieten würde, anstelle des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens ein Berechnungsverfahren vorzusehen, welches die kleineren Gruppierungen begünstigt. Auch das Bundesrecht kennt einen solchen Rechtssatz nicht; insbesondere verlangt es kein Zuteilungsverfahren, das die kleinen Parteien überdimensional begünstigen würde, wie es erforderlich wäre, wenn den Klägern ein Sitz in den Ausschüssen hätte zufallen sollen.