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Keine Klagebefugnis eines Kreistagsmitglieds gegen Mitwirkung Befangener

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.08.1984 - Az.: 7 A 19/84.OVG

Leitsätze:

1. Auch im Kommunalverfassungsstreit gilt der Grundsatz, dass eine Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, in eigenen Rechten betroffen zu sein. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Ein Kreistagsmitglied hat keinen Anspruch darauf, dass seiner Stimme ein bestimmter Erfolgswert zukommt. Dass die Teilnahme eines wegen Befangenheit ausgeschlossenen Mitglieds an einer Abstimmung den Erfolgswert der Stimmen der restlichen Mitglieder mindert, kann daher ihre Klagebefugnis nicht begründen. (Leitsatz des Herausgebers)

3. § 16 Abs. 4 S. 1 LKO RP verpflichtet nur denjenigen, in dessen Person (möglicherweise) ein Ausschließungsgrund vorliegt, zur Anzeige. Anderen Kreistagsmitgliedern weist er weder Pflichten noch Befugnisse zu. (Leitsatz des Herausgebers)

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Tenor

In dem Verwaltungsrechtsstreit

...

wegen Sonderinteresses

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. August 1984, an der teilgenommen haben

...

für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. November 1983 - 1 K 151/83 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 DM festgesetzt (§ 13 GKG).

Tatbestand

Der Kläger ist Mitglied des Kreistages des Landkreises ... Er begehrt in erster Linie die Feststellung, dass bei der Beschlussfassung über den Haushalt des Landkreises für das Haushaltsjahr 1983 in der Person der hauptamtlichen Bürgermeister bzw. Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die Mitglied des Kreistages sind, ein Sonderinteresse i.S.d. § 16 Landkreisordnung - LKO - vorlag.

Bei der Beschlussfassung über den Jahreshaushalt 1983 in der Kreistagssitzung am 16. Februar 1983 stellte der Kläger den Antrag, die hauptamtlichen Bürgermeister bzw. Beigeordneten wegen Sonderinteresses von der Beratung und Entscheidung auszuschließen. Er vertrat dabei die Auffassung, die Sonderinteressen dieser Personen ergäben sich daraus, daß in der Haushaltssatzung die von den Verbandsgemeinden und Städten zu erhebende Kreisumlage der Höhe nach festgesetzt würde. Der Antrag des Klägers wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.

Daraufhin hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und geltend gemacht, er sei in seinen Rechten aus § 16 LKO betroffen. Im wesentlichen hat der Kläger vorgetragen, § 16 LKO gebe demjenigen, der mit seinem Antrag, andere Kreistagsmitglieder wegen Sonderinteressen auszuschließen, unterliege, das Recht, diese Entscheidung der Mehrheit gerichtlich nachprüfen zu lassen. Er erhebe keine Popularklage, sondern rüge die Verletzung subjektiver Rechte, die ihm als Organ des Kreistages zuständen. Seine Klage sei aber auch in der Sache begründet. Die in der Haushaltssatzung des Landkreises festgelegte Kreisumlage stelle für die Gemeindehaushalte mit den größten Ausgabeposten dar. Da der Landkreis in gewissen Grenzen in der Festsetzung des Umlagesatzes frei sei, erweise sich die Festsetzung einer evtl. höheren oder geringeren Umlage für die hiervon betroffenen Städte und Gemeinden als unmittelbarer Vorteil i.S.d. § 16 LKO. An der Unmittelbarkeit der Kreistagsentscheidung ändere auch die Tatsache nichts, daß die Kreisumlage gegenüber der jeweils betroffenen Gebietskörperschaft durch Bescheid festgesetzt werde. Der Bescheid selbst habe lediglich deklaratorischen Inhalt und der Kreisverwaltung stehe insoweit kein Beurteilungsspielraum oder Ermessen zu.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass bei der Beschlussfassung über den Haushalt des Landkreises ... für das Haushaltsjahr 1983 am 16.02.1983 in der Person der Kreistagsmitglieder, die hauptamtliche Bürgermeister bzw. Beigeordnete der kreisangehörigen Städte und Gemeinden sind, ein Sonderinteresse im Sinne des § 16 LKO vorlag.

Hilfsweise stellte er den Antrag,

den Bescheid des Kreistages vom 16.02.1983, mit dem der Antrag nach § 16 Abs. 1 und 4 LKO (Feststellung des Sonderinteresses) abgelehnt worden ist, aufzuheben

und den weiteren Hilfsantrag,

den Haushaltsbeschluß des Kreistages vom 16.02.1983 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, die Klage sei bereits unzulässig. Mitwirkungsrechte des Klägers seien durch den Beschluss, mit dem sein Befangenheitsantrag abgelehnt worden sei, nicht verletzt worden. Ihm fehle daher bereits die Klagebefugnis. Außerdem sei die Klage auch unbegründet. Die in der Haushaltssatzung beschlossene Höhe der Kreisumlage stelle eine abstrakte und generelle Regelung dar und bleibe zunächst ohne unmittelbare Auswirkung. Daher fehle es schon an der Unmittelbarkeit des notwendigen Vor- oder Nachteils. Die Festsetzung der Höhe der Kreisumlage in der Haushaltssatzung bewirke auch gegenüber den Gemeinden noch keine Verbindlichkeit zur Zahlung der Umlage. Darüber hinaus bedürfe die gesamte Satzung noch der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. November 1983 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da dem Kläger die Klagebefugnis fehle. Zwar liege noch ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO vor, dessen Inhalt streitig sei und das damit Gegenstand einer Feststellungsklage sein könne. Die auch für eine Feststellungsklage analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehle jedoch, da der Kläger nicht in eigenen Rechten betroffen sei. Das Mitwirkungsverbot des § 16 LKO sei ausschließlich am öffentlichen Wohl orientiert. Die Schutzrichtung dieser Bestimmung ziele daher nicht auf das Stimm- oder Argumentationsgewicht des einzelnen Kreistagsmitgliedes, in dessen Person ein Ausschließungsgrund nicht zur Entscheidung stehe. Die Tatsache, daß beim Erlaß von Satzungen nach § 16 Abs. 5 Satz 5 LKO dem Landrat und der Aufsichtsbehörde das auf Ausschließungsgründe bezogene Aufhebungsrecht gemäß § 16 Abs. 5 Satz 2 LKO zugunsten der Heilungsvorschrift des § 17 Abs. 6 LKO genommen sei, spreche dafür, dass die Landkreisordnung die Bedeutung der Ausschließungsgründe bei dieser Entscheidungsart in starkem Maße relativieren wolle. Dem widerspräche die selbständige Klagebefugnis des Klägers.

Auch der Hilfsantrag sei unzulässig. Ein Rechtsmittel gegen den Feststellungsbeschluss des Kreistages vom 16. Februar 1983, ein Sonderinteresse liege nicht vor, könne nur zusammen mit dem gegen den Beschluss in der Sache selbst einzulegenden Rechtsmittel geltend gemacht werden. Außerdem sei der Kläger durch diesen Beschluss nicht in seinen Rechten verletzt. Im übrigen sei die Klage auch sachlich nicht begründet, da wegen der erforderlichen Umsetzung der Haushaltssatzung auf den Einzelfall es in der Person der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten an einem unmittelbaren Vor- oder Nachteil fehle. An der Aufhebung des Haushaltsbeschlusses (2. Hilfsantrag) fehle dem Kläger das Rechtsschutzinteresse, da er den Satzungsbeschluss selbst mitgetragen habe.

Gegen das dem Kläger am 18. Januar 1984 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat er mit Schreiben vom 13. Februar 1984 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er ausdrücklich im Rahmen des Kommunalverfassungsstreitverfahrens klage. Die Landkreisordnung räume jedem Kreiseinwohner das Recht, wenn nicht gar die Pflicht ein, einen Antrag nach § 16 Abs. 4 LKO zu stellen. Dies führe auch dazu, dass bereits im Rat die Frage möglicher Sonderinteressen problematisiert werde und so künftige Normenkontrollverfahren oder andere gerichtliche Überprüfungen vermieden würden. Das Interesse des die Befangenheit rügenden Ratsmitgliedes an einer rechtsverbindlichen gerichtlichen Feststellung der Befangenheit des anderen sei mindestens ebenso schützenswert wie das Interesse eines zu Unrecht ausgeschlossenen Mitglieds an der entsprechenden gerichtlichen Feststellung.

Der Kläger richtet auf Anregung des Senats seine Klage nunmehr gegen den Kreistag des Landkreises ... und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Mitwirkung der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden bei der Beschlussfassung über den Haushalt des Landkreises ... für das Haushaltsjahr 1983 am 16. Februar 1983 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Außerdem trägt er ergänzend vor, für den Hauptantrag fehle dem Kläger entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO die Klagebefugnis, die auch im Rahmen einer Feststellungsklage Zulässigkeitsvoraussetzung sei. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich jedoch nicht, dass er möglicherweise in einem eigenen subjektiven Recht verletzt sei. Insbesondere bezweckten die Vorschriften des § 16 LKO allein den Schutz öffentlicher Interessen. § 16 Abs. 4 LKO regele lediglich Informationspflichten der Kreistagsmitglieder und Entscheidungskompetenzen des Kreistages bzw. des Landrates.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. Er kann nicht geltend machen, durch die Mitwirkung der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden bei der Beschlussfassung über den Haushalt des Landkreises für das Haushaltsjahr 1983 in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Es handelt sich vorliegend um einen sogenannten - von Rechtsprechung und Literatur entwickelten - Kommunalverfassungsstreit. Darunter ist ein vor einem Gericht ausgetragener Streit zu verstehen, bei dem die Beteiligten Organe und Organteile einer Körperschaft sind und damit kein Außenrechtsverhältnis zwischen ihnen besteht. Gestritten wird vielmehr um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen dieser Organe aus dem Bereich ihres inneren Verfassungslebens (OVG Münster, DÖV 1962, 710; OVGE Bd. 27, 258, 259 m.w.N.).

Bereits mit Urteil vom 08. März 1965 - 6 A 22/64 - hat der damals für das Kommunalrecht zuständige 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Kommunalverfassungsstreitigkeiten keine Verwaltungsprozesse besonderer Art darstellen. Vielmehr handelt es sich um einen Streit zwischen Organen und Organstellen über das Bestehen oder den Umfang von Rechten und daher, weil in der Regel diesem Streit ein konkreter Anlass zugrunde liegt, um ein Verfahren, für das die Feststellungsklage die richtige Klageart ist (OVG Koblenz, AS Bd. 9, 335, 338; AS Bd. 10, 55 und in der Folge 7. Senat AS Bd. 16, 336; Bd. 17, 32).

Eine Feststellungsklage als Kommunalverfassungsstreitverfahren erweist sich indes auch nur dann als zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch ein anderes Organ oder Organteil eine eigene Rechtsverletzung erfahren zu haben. Denn andernfalls liefe der Kommunalverfassungsstreit auf ein objektives Beanstandungsverfahren hinaus, was er aber in dem auf Individualrechtsschutz angelegten System der Verwaltungsgerichtsordnung gerade nicht sein kann. Die Prüfung der objektiven Rechtsverletzung ist vielmehr ausschließlich der Staatsaufsicht zugewiesen.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass die Klage nur dann zulässig ist, wenn der Kläger dartun kann, durch die Mitwirkung der Bürgermeister und Beigeordneten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden bei der Beschlussfassung über den Haushalt des Landkreises in seinen eigenen subjektiven Mitgliedschaftsrechten betroffen zu sein, d.h. wenn durch die von ihm gerügte Maßnahme in einen gesetzlich geschützten Status eingegriffen wird, der dem Besitzstand zuzuordnen ist, den er als Mitglied des Organs Kreistag innehat. Hierzu rechnen bei einem kommunalen Mandatsträger z.B. das Recht auf Teilnahme und Beratung sowie Abstimmung in der Sitzung, das Recht, Anträge zu stellen und sich mit anderen Mitgliedern zu Fraktionen zusammenzuschließen.

Die Voraussetzungen sind vorliegend indes nicht gegeben. Denn es lässt sich weder aus den allgemeinen Rechtsvorschriften der Landkreisordnung, die die Rechte eines Kreistags- bzw. Ausschussmitglieds regeln, noch aus der Rechtsnorm, deren Verletzung der Kläger rügt, hier § 16 LKO, herleiten, diese Normen seien dazu bestimmt, auch seine Rechtsposition anzureichern, und zwar dergestalt, dass seiner Stimmabgabe nicht nur ein bestimmter Zählwert, sondern auch ein Erfolgswert innewohnt, der durch das unzulässige Mitwirken anderer Personen beeinträchtigt sein kann.

Der Senat vermag insoweit nicht der - allerdings ohne nähere Begründung - geäußerten Auffassung von Widtmann (BayGO 4. Aufl. Art. 51, Anm. 11) zu folgen, ein Ratsmitglied habe ein Recht darauf, dass seine Stimme ihrem gesetzlichen Wert entsprechend bewertet werde, und dürfe sich daher stets gegen die Mitwirkung eines - seiner Ansicht nach auszuschließenden - Dritten wenden. Vielmehr bleibt es notwendig, dass die allgemeinen oder besonderen Vorschriften dem Ratsmitglied überhaupt einen derartig geschützten Rechtskreis, d.h. einen gesetzlichen Erfolgswert seiner Stimme, zuweisen; nur dann kann diese Meinung überzeugen.

Aus den allgemeinen Vorschriften der rheinland-pfälzischen Landkreisordnung lässt sich ein solcher Schutz jedoch nicht entnehmen. So regelt § 12 LKO der Rechtskreis des Inhabers eines Ehrenamtes, schützt in § 12 Abs. 2 Satz 1 die Bewerbung um ein solches Ehrenamt und untersagt Behinderungen bei seiner Annahme und Ausübung. Die Mitwirkung der Bürgermeister und Beigeordneten bei der Abstimmung über den Haushalt beeinträchtigt indes erkennbar nicht die Ausübung des klägerischen Mandates, denn der Kläger wird hierdurch weder an der Sitzungsteilnahme noch an der Beratung oder der Abstimmung, die das Wesen kommunaler Mandatsausübung ausmachen, gehindert. Er erfährt auch keine Beeinträchtigung seines in § 23 Abs. 4 Landkreisordnung gesetzlich besonders verankerten Rechts, im Kreistag und seinen Ausschüssen, denen er angehört, Anträge zu stellen.

Des weiteren lassen auch die Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des Kreistages und seiner Ausschüsse (§ 22, §§ 37 ff. LKO) nicht darauf schließen, der Erfolgswert der Stimme des Rats- oder Ausschussmitgliedes sei in einem bestimmten Bruchteil geschützt. Ein solcher Normzweck ist insbesondere nicht dem §§ 22 Abs. 2 LKO zu entnehmen, der zwar die Zahl der Kreistagsmitglieder verbindlich festlegt, aber bei dieser Regelung erkennbar von dem gesetzgeberischen Willen getragen ist, damit landeseinheitlich entsprechend den Einwohnerzahlen vergleichbare Bezugsgrößen zu verankern. Ein weitergehender Regelungsgehalt kommt dieser Vorschrift zweifelsfrei nicht zu. In die gleiche Richtung weisen im übrigen auch - worauf hier am Rande hinzuweisen ist - die Vorschriften über Zahl und Zusammensetzung der Ausschüsse des Kreistages. Mit Ausnahme des Kreisausschusses, dessen Mitgliederzahl - ähnlich wie beim Kreistag selbst - sich an der Einwohnerzahl orientiert, sind alle anderen Ausschüsse bezüglich der Zahl der Mitglieder disponibel, was schon den gesetzlichen Schutz eines Stimmerfolgswertes im Ansatz ausschließt.

Lässt sich somit aus den Vorschriften der Landkreisordnung, die die Stellung der Rats- und Ausschussmitglieder sowie Zahl und Zusammensetzung der kommunalen Gremien betreffen, nicht herleiten, der Stimme jedes Mitglieds müsse ein bestimmter Erfolgswert zugeordnet sein, so lässt sich dieses Ergebnis auch nicht aus § 16 LKO, dessen Verletzung der Kläger rügt, folgern; denn diese Norm ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz seiner Mitgliedschaftsrechte zu dienen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass § 16 LKO einen völlig anderen Schutzzweck verfolgt. Die Norm - sie ist im wesentlichen identisch mit § 22 der Gemeindeordnung - will eine Kollision zwischen den auf einem Ausgleich der Individual- und Gemeinschaftsinteressen beruhenden Ratsentscheidungen mit den individuellen Sonderinteressen einzelner Ratsherrn von vornherein verhindern, um so schon dem "bösen Schein" entgegenzuwirken. Das Vertrauen des Bürgers in eine saubere Kommunalverwaltung soll auf diese Weise nicht belastet, sondern eben gestärkt werden (Hofmann-Beth-Dreibus, Kommentar zur rheinland- pfälzischen Gemeindeordnung, § 22 Anm. 1; OVG Rheinland-Pfalz Urteil des 10. Senats vom 07. Dezember 1983 - 10 C 9/83 - sowie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung). Damit hat also § 16 LKO allein den Zweck, sicherzustellen, daß die Ratsmitglieder ihre Entscheidungen ausschließlich am Gesetz und am öffentlichen Wohl orientieren und so eine Vettern- und Günstlingswirtschaft vermieden wird (Schwabe-Sundermann, Kommunalverfassung in Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. S. 81).

Die vorstehend skizzierten Schutzziele des § 16 LKO lassen für den Schutzzweck, den der Kläger dieser Norm zusätzlich beilegen will, keinen Raum. Adressat ist gerade nicht das Mitglied, in dessen Person kein Ausschlussgrund vorhanden ist, sondern betroffen sind von der Regelung unmittelbar nur die Mitglieder mit Sonderinteressen. Dies folgt schon aus § 16 Abs. 1 Satz 1 LKO, der den von der Norm betroffenen Personenkreis im einzelnen umschreibt. Nichts anderes lässt sich auch aus § 16 Abs. 4 Satz 1 LKO herleiten, der eine Anzeigepflicht für den Fall des Vorliegens eines bestehenden oder eines denkbaren Ausschließungsgrundes statuiert. Diese Pflicht trifft indes nicht - wie der Kläger offenbar meint - jedes Kreistagsmitglied, sondern nur den, in dessen Person der - vermeintliche - Ausschließungsgrund vorliegt. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung; denn mitzuteilen hat den Ausschließungsgrund der Einwohner, womit auf den in Abs. 1 normbetroffenen Personenkreis Bezug genommen wird. Aus § 16 LKO läßt sich indes nicht herleiten, dass jedes Kreistagsmitglied über die in Abs. 4 Satz 2 zugewiesene Beschlussfassung in Zweifelsfällen hinaus nunmehr auch zum Sachwalter der in dieser Bestimmung umschriebenen öffentlichen Interessen berufen sollte. Deren Gewährleistung bleibt vielmehr der Staatsaufsicht vorbehalten.

Der Ausschluss eines befangenen Ratsmitglieds oder dessen rechtswidrige Teilnahme an einer Abstimmung wirken zwar auf ein Abstimmungsergebnis und damit möglicherweise auf den Erfolgswert einer Stimme ein. Hierbei handelt es sich aber auch um eine mittelbare Betroffenheit, einen Rechtsreflex, der grundsätzlich nicht geeignet ist, eine Klagebefugnis zu begründen, weil § 143 VwGO - ebenso wie § 42 Abs. 2 VwGO - eine unmittelbare Verletzung eigener Rechte fordert (vgl. Urteil des Senats vom 02. Februar 1982, AS Bd. 17, 211, 212 f.). Der Kläger kann daher im Rahmen des Kommunalverfassungsstreits nicht klären lassen, ob die Mitwirkung der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten bei der Abstimmung über den Kreishaushalt 1983 rechtswidrig war oder nicht. Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.