Unterbliebene erneute Auslegung bei Streichung einer Festsetzung
BayVGH, Urteil vom 03.03.2008 - Az.: 9 N 05.156
Leitsätze:
Die verfahrensfehlerhaft unterbliebene erneute Auslegung eines geänderten Bebauungsplanentwurfs bleibt ohne Auswirkung auf die Gültigkeit des Bebauungsplans, wenn die Änderung in der Streichung einer Festsetzung bestand, die für die übrigen Festsetzungen ohne Bedeutung ist. (amtlicher Leitsatz)
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Volltext
Tenor
In der Normenkontrollsache
...
gegen
...
beigeladen:
...
wegen
Bebauungsplan Nr. 94;
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Krieger aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. März 2008
am 3. März 2008
folgendes
Urteil:
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt (§
52 Abs. 1 und 7 GKG).
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 94 "...", den die Antragsgegnerin am 29. Juli 2004 als Satzung beschlossen, am 25. August 2004 ausgefertigt und am 28. August 2004 ortsüblich bekannt gemacht hat. Die Antragstellerin ist Eigentümerin von zwei im Plangebiet gelegenen Grundstücken, die mit einem Wohn- und Geschäftshaus (Fl.Nr.) und einem Nebengebäude (Fl.Nr.) bebaut sind.
Der streitgegenständliche Bebauungsplan ersetzt auf einem am östlichen Rand der Altstadt gelegenen Gebiet mit einer Größe von ca. 1 ha den Bebauungsplan "Altstadt" vom 29. März 1972. Zum Anlass der Planung wird in der Begründung angegeben, die Altstadt habe sich abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans von 1972 von einem Kerngebiet zu einem Mischgebiet/besonderen Wohngebiet entwickelt. Dem entsprechend wurde als Art der baulichen Nutzung eine Mischgebietsnutzung (Mischgebiet 1 und 2) festgesetzt. Für das gesamte Plangebiet ist geschlossene Bauweise vorgesehen. Entlang der vorderen Gebäudeflucht wurde eine Baulinie, im Übrigen eine Baugrenze festgesetzt. Im Gegensatz zum Bebauungsplan „Altstadt“, der dort eine dreigeschoßige Bebauung ermöglicht hat, ist auf den Grundstücken Fl.Nrn. 367 und 359 im westlichen Bereich nur noch eine eingeschoßige Hauptnutzung und auf dem Grundstück Fl.Nr. 369 nur noch eine 20 m² große eingeschoßige Nebenanlage vorgesehen.
Der vom 4. Mai bis 7. Juni 2004 ausgelegte Planentwurf enthielt u. a. folgende textliche Festsetzung:
"Eine Überschreitung der Baugrenze ist unzulässig. Dies gilt für alle, auch untergeordnete, bauliche Anlagen."
Im ebenfalls ausgelegten Begründungsentwurf wird ausgeführt:
"Die Nebengebäude genannte bauliche Anlage auf Parzelle 369 stellt eine Nebenanlage i.S. des §
14 Baunutzungsverordnung (BauNVO) dar. Gem. §
23 Abs. 5 BauNVO können Nebenanlagen i.S. des §
14 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist. Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans schließen eine Nebenanlage außerhalb der Baugrenzen (d.h. nicht überbaubare Grundstückfläche) nicht aus."
Mit Schreiben vom 27. Mai 2004 brachte die Antragstellerin Einwendungen gegen den Bebauungsplan vor und rügte u.a. einen Widerspruch zwischen textlicher Festsetzung und Begründung der festgesetzten Baugrenze.
Mit Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 29. Juli 2004 wurde der Zusatz: "Dies gilt für alle, auch untergeordnete, bauliche Anlagen.", gestrichen.
Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 18. Januar 2005 beantragt die Antragstellerin sinngemäß,
den Bebauungsplan Nr. 94 "..." der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, der Bebauungsplan sei in der Sitzung vom 29. Juli 2004 im Hinblick auf die Festsetzung der Baugrenze aufgrund einer von der Antragstellerin vorgebrachten Einwendung geändert, dann aber nicht mehr erneut ausgelegt worden. Der Fehler sei beachtlich und erfasse das gesamte Plangebiet. Darüber hinaus sei das Abwägungsgebot verletzt. Ziel der Änderungsplanung sei die Stärkung des innerstädtischen Wohnens, u. a. entlang der Kleinen Kirchgasse gewesen. Tatsächlich habe die geänderte Planung die Situation verschlechtert, weil nunmehr auf dem insgesamt nur 46 m² großen Grundstück der Antragstellerin Fl.Nr. ... ein im Vergleich zur bestehenden Bebauung verkleinertes Nebengebäude (20 m²) vorgesehen sei. Das bestehende Nebengebäude sei mit den Bauwerken auf den Fl.Nrn. und baulich verbunden und diene der Unterbringung von Fahrrädern, Kinderfahrzeugen und Kinderwagen und zur Abfallentsorgung des ebenfalls im Eigentum der Antragstellerin stehenden Hausgrundstücks Fl.Nr. ..., dessen Vermietbarkeit durch die geänderte Planung in Frage gestellt werde. Soweit Ziel der Planung die bessere Belichtung und Belüftung der Nachbargrundstücke der Fl.Nr. ... sei, sei dies bei der Fl.Nr. ... durch andere Maßnahmen, z.B. durch Einbau einer Lichtkuppel problemlos zu erreichen. Im Übrigen sei das dort bestehende Gebäude ein Schwarzbau. Dort sei eine Lagerhalle mit einem Abstand zur Lagerhalle der Antragstellerin von 2 m genehmigt worden. Das Gebäude sei aber mittlerweile bis an die Grenzmauer der Fl.Nr. ... erweitert worden und werde als Wohnzimmer genutzt. Die Belichtungssituation der Fl.Nr. ... sei ausreichend, da dort ein Lichthof vorhanden sei. Im Plangebiet seien mehrere Grundstücke von zwei Seiten zweigeschoßig zugebaut, ohne dort Lichthöfe zu fordern. Mit den Einschränkungen des Bebauungsplans werde neben einem baufälligen und unbewohnten Wohnhaus (Fl.Nr. ...) nur noch das Grundstück der Antragstellerin belastet. Dies stelle eine grundlegende Ungleichbehandlung dar. Auch seien planungsrechtliche Zielvorstellungen der Antragsgegnerin, die ihren Niederschlag im "Rahmenplan Stadtsanierung ..." gefunden hätten, bei der Planung nicht berücksichtigt worden. Dort werde die Forderung aufgestellt, benachbarte Parzellen des Grundstücks Fl.Nr. im Hinblick auf die Verbesserung der dortigen Belichtungs- und Belüftungssituation mit einzubeziehen. Da es sich bei den Fl.Nrn. ... und ... um eingetragene Kulturdenkmäler handle, die nicht für einen Abriss in Betracht kämen, seien die Fl.Nr. ... und ... für einen Abriss vorprogrammiert, zumal man diese Gebäude mit einer schlechten Bausubstanz eingestuft habe. Damit sei aber ein Abriss des Nebengebäudes der Antragstellerin nicht mehr zu begründen. Ebenfalls nicht berücksichtigt worden sei, dass ein Abriss der Rückmauer des Nebengebäudes zu Bauschäden oder sogar zum Einstürzen der Nachbarhäuser (Fl.Nr. ... und ...) führen könne und die Kosten für Abbruch und Wiederaufbau höher seien als von der Antragsgegnerin geschätzt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, eine erneute Auslegung sei nicht erforderlich gewesen, weil die vorgenommene Streichung auf einen Vorschlag der Antragstellerin zurückzuführen sei. Der Bebauungsplan fordere keinen Abbruch des Nebengebäudes, sondern schaffe nur die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Behebung städtebaulicher Missstände. Er erweitere die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks Fl.Nr. ... erheblich, so dass dort Raum für die bisher auf Fl.Nr. ... stattfindende Nutzung sei. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Behördenakten (Akte I bis III, Planunterlagen mit Begründungen, städtebaulicher Rahmenplan vom 15.3.2005) sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Gründe
Der zulässige Normenkontrollantrag (§
47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen des Bebauungsplans greifen nicht durch.
Da das Bauleitplanverfahren mit dem am 2. August 2003 ortsüblich bekannt gemachten Aufstellungsbeschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2003 förmlich eingeleitet und der am 29. Juli 2004 beschlossene Bebauungsplan am 28. August 2004 ortsüblich bekannt gemacht wurde, findet auf das Aufstellungsverfahren noch das Baugesetzbuch in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BauGB 1998) Anwendung (§
233 Abs. 1 Satz 1, §
244 Abs. 1 und 2 BauGB).
a) Der Stadtrat der Antragsgegnerin hat ausweislich entsprechender Vermerke auf der Planurkunde in seiner Sitzung vom 29. Juli 2004 neben der Aufnahme eines Hinweises zur Abwassererschließung den im ausgelegten Entwurf innerhalb der textlichen Festsetzungen zur Baugrenze vorhandenen Zusatz "Dies gilt für alle, auch untergeordnete bauliche Anlagen." gestrichen und den entsprechend veränderten Plan als Satzung beschlossen. Unerheblich ist dabei, dass das Sitzungsprotokoll den Wortlaut der gestrichenen Festsetzung nicht exakt wiedergibt und statt von "untergeordneten baulichen Anlagen" von "untergeordneten Bauteile" spricht. Denn aus der dort ebenfalls dokumentierten Behandlung der Stellungnahmen des Landratsamts und der Antragstellerin ergibt sich eindeutig, welcher Zusatz gestrichen werden sollte und auch, welche inhaltlichen Aussagen dieser enthält.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Anschluss an die vorgenommene Streichung auf eine erneute öffentliche Auslegung des Planentwurfs verzichtet hat. Die Auslegung eines Bebauungsplans dient in erster Linie der Beschaffung und Vervollständigung des notwendigen Abwägungsmaterials und soll darüber hinaus den von der Planung Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Interessen und Rechte geltend zu machen und in den Entscheidungsprozess einzubringen. Ferner sollen die Bürger durch diese Form der Beteiligung in den Prozess der Vorbereitung von Planungsentscheidungen aktiv teilnehmend einbezogen werden (vgl. BVerwG vom 18.12.1987 NVwZ 1988, 822). Wird der Planentwurf nach der Auslegung geändert oder ergänzt, so ist er grundsätzlich erneut auszulegen (§
3 Abs. 3 BauGB 1998, nunmehr §
4a Abs. 3 BauGB).
Für eine wiederholte Beteiligung der Öffentlichkeit besteht allerdings immer dann kein Anlass, wenn die genannten Zwecke bereits mit der erstmaligen Auslegung des Planentwurfs erfüllt wurden. Daher bedarf es keiner erneuten Auslegung, wenn eine Abänderung des Bebauungsplanentwurfs ausschließlich der Klarstellung dient oder auf ohnehin geltende Rechtsvorschriften verweist, der Sache nach jedoch keine materielle Änderung des normativen Gehalts des Bebauungsplans bewirkt (vgl. BayVGH vom 17.12.2003 Az. 25 N 97.2862 m.w.N.) oder wenn die Änderung einem Vorschlag des davon betroffenen, schon vorher beteiligten Grundstückseigentümers entspricht und die Änderung darüber hinaus weder auf andere Grundstücke nachteilige Auswirkungen hat, noch Träger öffentlicher Belange in ihrem öffentlichen Aufgabenbereich berührt (BVerwG vom 18.12.1987 a.a.O.).
Im vorliegenden Fall hat zwar u. a. die Stellungnahme der Antragstellerin zu der vorgenommenen Streichung geführt, die Auswirkungen der Streichung betreffen aber nicht nur ihre Grundstücke, sondern alle Grundstücke im Planbereich, für die eine Baugrenze festgesetzt ist. Gleichwohl stellt die erfolgte Korrektur der Planurkunde keine Änderung oder Ergänzung dar, die eine erneute Auslegung notwendig macht. Der ausgelegte Entwurf des Bebauungsplans und der ebenfalls ausgelegte Entwurf der Begründung (§
3 Abs. 2 BauGB 1998) enthielten zur Frage der Zulässigkeit von untergeordneten, baulichen Anlagen außerhalb der Baugrenze einander widersprechende Aussagen und damit insoweit keinen eindeutigen inhaltlichen Gehalt. Während die textlichen Festsetzungen auf dem Entwurf der Planurkunde einen vollständigen Ausschluss entsprechender Anlagen vorsahen, wurde im Begründungsentwurf ausgeführt, es seien keine textlichen Festsetzungen vorgenommen worden, durch die Nebenanlagen außerhalb der Baugrenzen ausgeschlossen seien. Die in der Planurkunde vorgenommene Korrektur löst diesen Widerspruch zugunsten des Verzichts auf eine "andere Festsetzung" i.S.d. §
23 Abs. 5 BauNVO auf. Mit dieser Korrektur hat der Plangeber aber keine Festsetzung beschlossen, zu der nicht schon aufgrund der erstmaligen Auslegung Gelegenheit zur Äußerung bestanden hat. Auch wenn sich die Ausführungen im Begründungsentwurf vorrangig mit der Situation auf dem Grundstück der Antragstellerin mit der Fl.Nr. 369 befassen und nur Nebenanlagen i.S.d. §
23 Abs. 5 Satz 1, §
14 BauNVO nicht aber bauliche Anlagen i.S.d. §
23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO ausdrücklich angesprochen werden, mussten sich sowohl diejenigen Bürger, denen an einer „anderen Festsetzung“ i.S.d. §
23 Abs. 5 BauNVO . d.h. an einem vollständigen oder teilweisen Ausschluss entsprechender Anlagen gelegen war - als auch diejenigen, die entsprechende Festsetzungen verhindern wollten, wegen der dargelegten Unstimmigkeit bereits durch die erstmalige Auslegung zur Stellungnahme aufgerufen fühlen. Bei einer solchen Konstellation ist von einer erneuten Auslegung weder eine weitere Ergänzung des bereits mit der ersten Auslegung beschafften Abwägungsmaterials zu erwarten, noch ist eine wiederholte Auslegung geboten, um betroffenen Grundstückseigentümern und sonstigen interessierten Bürgern nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da hier die Zwecke der Bürgerbeteiligung bereits mit der durchgeführten Auslegung erreicht wurden, konnte eine erneute Auslegung vielmehr unterbleiben, zumal das Auslegungsverfahren kein Verfahren darstellt, das um seiner selbst willen zu betreiben ist (vgl. BVerwG vom 18.12.1987 a.a.O.).
b) Der Normenkontrollantrag hätte aber selbst bei Annahme eines Verfahrensfehlers keinen Erfolg. Zwar wirkt sich eine beachtliche und rechtzeitig gerügte Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung eines Bebauungsplans in der Regel auf die gesamte Satzung aus. Auch stellen Verstöße, die die Öffentlichkeitsbeteiligung betreffen, grundsätzlich beachtliche Fehler dar (§
214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1998, § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Solche Fehler führen aber dann nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Plans, wenn sie nur einen bestimmten Teil oder eine einzelne Festsetzung betreffen und ein möglicher Einfluss auf die übrigen Festsetzungen und/oder auf den Plan als Ganzes ausgeschlossen werden kann. Bei einem Verfahrensfehler der darin besteht, dass bei einer eine einzelne Festsetzung betreffenden Änderung des Bebauungsplans nach dessen Auslegung die erneute Beteiligung unterblieben ist, liegt die Begrenzung seiner Wirkung auf die jeweils in Rede stehende einzelne Festsetzung nahe. Voraussetzung hierfür ist, dass nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass der Bebauungsplan bei Vermeidung des Fehlers auch in seinen übrigen Teilen einen anderen Inhalt bekommen hätte (BVerwG vom 18. 7. 1989 BVerwGE 82, 225).
Solche Umstände liegen hier vor und führen im Ergebnis weder zur Unwirksamkeit noch zur Teilunwirksamkeit der beschlossenen Satzung. Mögliche Auswirkungen der ohne erneute Auslegung vorgenommenen Streichung des Zusatzes und damit auch ein etwaiger Verfahrensfehler könnten sich allenfalls auf die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen zur Baugrenze erstrecken. Alle übrigen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans sind nach der erstmaligen Auslegung unverändert geblieben und in ihrem Regelungsgehalt nicht davon betroffen, ob auf den durch eine Baugrenze bestimmten nicht überbaubaren Grundstücksflächen untergeordnete bauliche Anlagen errichtet werden können. Insbesondere die Festsetzungen zur Grundflächenzahl, bei deren Ermittlung Nebenanlagen i.S.d. §
14 BauNVO mitzurechnen sind (vgl. §
19 Abs. 4 Nr. 2 BauNVO) bleiben von der Änderung unberührt, da es für die Hinzurechnung nicht auf den Standort der jeweiligen Anlage ankommt. Aber auch die verbliebene Festsetzung zur Baugrenze stellt eine von der gestrichenen Festsetzung abgrenzbare Regelung dar, auf die der Wegfall der "anderen Festsetzung" i.S.d. §
23 Abs. 5 BauNVO ohne Einfluss ist. Die zeichnerische Festsetzung der Baugrenze, durch die das Vorhandensein einer solchen und deren exakte Lage auf den betroffenen Grundstücken bestimmt wird, ist in dem so beschriebenen Festsetzungsgehalt nicht davon betroffen, ob der Bebauungsplan darüber hinaus die Möglichkeit einer Zulassung von baulichen Anlagen i.S.d. §
23 Abs. 5 BauNVO ausschließt. Die verbliebene "textliche Festsetzung", wonach eine Überschreitung der Baugrenze unzulässig ist, stellt ohnehin nur eine sinngemäße Wiedergabe des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO dar, die ebenfalls durch die Streichung keine inhaltliche Änderung erfährt. Der streitgegenständliche Bebauungsplan gewährleistet auch ohne die gestrichene Festsetzung eine sinnvolle städtebauliche Ordnung. Die Festlegung nicht überbaubarer Grundstücksflächen ohne zusätzliche Einschränkungen nach § 23 Abs. 5 BauNVO ist der vom Verordnungsgeber vorgesehene Regelfall.
Ein möglicher Verfahrensfehler könnte somit allenfalls isoliert die Streichung der Zulassungsmöglichkeit baulicher Anlagen außerhalb der Baugrenzen erfassen. Auch hieraus könnte sich aber keine teilweise Unwirksamkeit des Bebauungsplans ergeben, weil dieser hierzu keine Regelung enthält. Die Fehlerfolge einer ohne erneute Auslegung erfolgten Streichung einer Festsetzung kann auch nicht sein, dass die gestrichene, aber vom Plangeber gar nicht beschlossene Festsetzung wirksam wird. Eine unterbliebene Normierung ist als Gegenstand der Aufhebung im Normenkontrollverfahren grundsätzlich ungeeignet. Für einen ausnahmsweise bestehenden Anspruch oder auch nur ein Interesse der Antragstellerin auf Erlass der gestrichenen Festsetzung fehlt jeder Anhalt.
2. Der angegriffene Bebauungsplan genügt auch den Anforderungen des Abwägungsgebots. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen §
1 Abs. 6 BauGB 1998 (nunmehr §
1 Abs. 7 BauGB) verstoßen, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Das Abwägungsgebot verlangt, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet, dass die öffentlichen und privaten Belange, die nach Lage der Dinge in die Abwägung einzustellen sind, berücksichtigt werden, dass die Bedeutung der Belange nicht verkannt wird und der Ausgleich zwischen den Belangen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zum objektiven Gewicht einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen dafür entscheidet, den einen zu bevorzugen und damit notwendig den anderen zurückzustellen (BVerwG vom 12.12.1969 BVerwGE 34, 301/309; BVerwG vom 5.7.1974
BVerwGE 45, 309/315).
a) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Bebauungsplans abwägungsrelevante Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat. Die Protokolle der Stadtratssitzungen vom 31. März 2004 und vom 29. Juli 2004 zeigen, dass die Antragsgegnerin insbesondere die von der Antragstellerin vorgebrachten Einwendungen zur Kenntnis genommen und in den Abwägungsvorgang einbezogen hat.
b) Eine fehlerhafte Gewichtung oder ein fehlerhafter Ausgleich abwägungsrelevanter Belange - insbesondere der Belange der Antragstellerin - ist nicht zu erkennen. Zu den von der Aufstellung eines Bebauungsplans regelmäßig betroffenen privaten Belangen, die bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, gehört das durch die Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum (BVerwG vom 1.11.1974
BVerwGE 47, 144). Die Gemeinde hat auf den überplanten Grundstücken bestehendes Baurecht in die Abwägung einzubeziehen und entsprechend zu gewichten. Das private Interesse am Erhalt des Baurechts muss mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden (vgl. BVerfG vom 19.12.2002
NVwZ 2003, 727). Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken ändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder auch aufheben. Es gibt keinen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß auch bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen (BVerwG vom 31.3.2000
BVerwGE 112, 41).
Gegen diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin nicht verstoßen. Mit dem Bebauungsplan verfolgt sie das Ziel, die städtebauliche Planung mit der tatsächlichen Entwicklung im Plangebiet in Einklang zu bringen und das Wohnen in der Altstadt aufrecht zu erhalten und zu fördern. Die Ausweisung eines Mischgebiets entspricht dieser Zielvorgabe. Nachdem im hier überplanten Bereich der Altstadt mit einer Verwirklichung der im ursprünglichen Bebauungsplan vorgesehenen Kerngebietsnutzung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, ist es nicht zu rügen, wenn die Antragsgegnerin etwaigen privaten Interessen am Erhalt einer solchen Festsetzung wenig Gewicht einräumt.
Auch die Festsetzung einer nur noch möglichen eingeschoßigen Bebauung auf Teilen der Fl.Nrn. ... und ... sowie auf dem Grundstück der Antragstellerin mit der Fl.Nr. ... und die dortige Beschränkung der Nutzung auf eine Nebenanlage, sind durch hinreichend gewichtige städtebauliche Belange gerechtfertigt. Bei ihrer Abwägung ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass auf der Fl.Nr. ..., die eine Grundfläche von nur 46 m² aufweist, eine städtebaulich sinnvolle Hauptnutzung nicht zu verwirklichen ist.
Es ist auch nicht abwägungsfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin die im Plangebiet nahezu vollständig bebauten Baublöcke zumindest in Ansätzen zugunsten vorhandener Hauptnutzungen - unabhängig davon, ob diese formell genehmigt sind - und zulasten einer nicht mehr ausgeübten Nutzung sowie durch Reduzierung der mit einer Nebenanlage bebaubaren Fläche planerisch auflockert. Vom planerischen Abwägungsspielraum ist es auch gedeckt, dass sie die bessere Belüftung und Belichtung der Grundstücke durch Schaffung einer von Bebauung freizuhaltenden Fläche und nicht durch andere technische Möglichkeiten - etwa den Einbau von Lichtkuppeln - sichert. Die Reduzierung der bebaubaren Fläche auf der Fl.Nr. ... im Vergleich zum derzeit vorhandenen Bestand steht auch nicht im Widerspruch zu der Zielsetzung des Bebauungsplans, die darin besteht, das innerstädtische Wohnen zu stärken. Denn diese Zielvorgabe erfordert nur, dass sich die gesamte Planung an ihr orientiert, schließt aber eine Verschlechterung entsprechender Nutzungsmöglichkeiten auf einzelnen Grundstücken nicht grundsätzlich aus.
Abwägungsfehler ergeben sich ferner auch nicht bei Berücksichtigung der Ziele des "Städtebaulichen Rahmenplans zur Stadtsanierung ..." vom 14. März 2005, dessen vorbereitende Untersuchungen bereits in die vorliegende Planung eingeflossen sind. Der dortigen Bestandsaufnahme ist zwar zu entnehmen, dass die Belichtungs- und Belüftungssituation auch in anderen Bereichen des Plangebiets, insbesondere auf dem Grundstück an der Lohrtorstraße 2 als städtebaulich problematisch angesehen wird. Aus dem dort genannten Ziel, eine Konzeption zur Verbesserung dieser Situation unter Einbeziehung der benachbarten Parzellen zu entwickeln, lässt sich aber nicht als einzig denkbare Lösung die vollständige Aufgabe der von der Antragstellerin bezeichneten Bauflächen ableiten. Vielmehr kann dieser städtebaulichen Problemlage auch durch eine nur teilweise Aufgabe von Bauflächen begegnet werden, die den Bestand an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin unberührt lassen. Dass die Antragsgegnerin die im Plangebiet vorhandenen Belichtungs- und Belüftungsprobleme mit der vorliegenden Planung (noch) nicht umfassend gelöst und sich insoweit zunächst auf die Überplanung aufgegebener Nutzungen und Nebennutzungen beschränkt hat, ist nicht abwägungsfehlerhaft und stellt wegen des Vorliegens sachlicher Differenzierungsgründe insbesondere auch keine willkürliche Ungleichbehandlung der Antragstellerin dar.
Schließlich konnte die Antragsgegnerin auch davon ausgehen, dass den von der Antragstellerin bei der Verwirklichung des Bebauungsplans befürchteten Bauschäden an den Gebäuden, die an ihre Nebenanlage angrenzen oder an diese angebaut sind, wegen der geringen Dimensionen dieser baulichen Anlagen, mit dem vertretbaren technischen Aufwand begegnet werden kann, so dass diese Problematik nicht abschließend im Rahmen der Aufstellung des vorliegenden Bebauungsplans zu klären und zu lösen war. Ohne Belang für die Abwägung ist ferner die exakte Höhe der Kosten, die bei einem etwaigen Abbruch des bestandsgeschützten Nebengebäudes der Antragstellerin anfallen, da der Bebauungsplan zwar den Bestand des Gebäudes planungsrechtlich nicht sichert, nicht aber dessen Abbruch verlangt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs. 1, §
162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §
167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§
132 Abs. 2 VwGO).