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Ausschluss aus einer freiwilligen Feuerwehr

VGH Mannheim, Beschluss vom 03.02.2005 - Az.: 1 S 2634/04

Leitsätze:

1. Erstattet ein Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr wegen eines Vorfalls, der sich bei einem gemeinsamen Einsatz ereignet hat und der nicht von vornherein strafrechtlich unerheblich ist, zur Klärung der Vorwürfe Strafanzeige gegen einen Kameraden, stellt dies nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen die Dienstpflicht zu einem kameradschaftlichen Verhalten dar. Je nach dem Gewicht der vorgebrachten Vorwürfe und behaupteten Rechtsverletzungen ist er aber gehalten, zunächst eine feuerwehrinterne Klärung herbeizuführen. (amtlicher Leitsatz)

2. Allein das Fehlen eines Vertrauensverhältnisses zwischen der Mehrzahl der Feuerwehrleute und dem Feuerwehrangehörigen, der als Unruhestifter angesehen wird, rechtfertigt dessen Ausschluss aus der Feuerwehr nicht; denn die Ausschlussgründe sind in §§ 12 Abs. 4 i.V.m. 14 Abs. 1 FwG abschließend aufgeführt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung; vgl. Beschluss vom 12.08.1996 - 1 S 1353/96 -, BWGZ 1997, 826). (amtlicher Leitsatz)

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Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. Oktober 2004 - 5 K 3970/03 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sowie für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin fristgerecht vorgebrachten Gründe geben dem Senat keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss abzuändern und dem Antragsteller den begehrten vorläufigen Rechtsschutz gegen den unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügten Ausschluss aus der freiwilligen Feuerwehr zu versagen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Ansicht, dass das Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens (§ 80b Abs. 1 VwGO) vorläufig weiterhin in der freiwilligen Feuerwehr Dienst tun zu können, das entgegengesetzte Interesse der Antragsgegnerin überwiegt. Denn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Verfügung keinen Bestand haben wird.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss nach §§ 12 Abs. 4, 14 Abs. 1 Nr. 4 FwG sind aller Voraussicht nach nicht gegeben; ein schwerer Verstoß gegen die Dienstpflicht zu einem kameradschaftlichen Verhalten, der allein diese härteste der im Feuerwehrgesetz vorgesehenen disziplinarischen Sanktionen zu rechtfertigen geeignet ist, liegt nicht vor. Dies hat das Verwaltungsgericht, auf dessen Ausführungen der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO Bezug nimmt, zutreffend dargelegt. Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Bewertung.

Die Erstattung einer Strafanzeige zur Klärung eines Vorfalls, der nicht von vornherein strafrechtlich unerheblich ist, ist im vorliegenden Fall nicht als ein grob unkameradschaftliches Verhalten einzustufen.

Die Antragsgegnerin ist zwar zu Recht der Ansicht, dass derjenige in grober Weise gegen seine Dienstpflichten verstößt, der einen Kameraden wider besseres Wissen mit einer Strafanzeige überzieht. Für ein solches - nach § 164 Abs. 1 StGB strafbares - Vorgehen des Antragstellers gibt es jedoch keine verlässlichen Anhaltspunkte. So kann sich der Senat die Einschätzung nicht zu eigen machen, wonach sich aus der Aussage von Herrn ..., des damaligen Einsatzleiters, mit Gewissheit entnehmen lasse, dass der Antragsteller bei dem Einsatz am 29.05.2003 nicht mit Löschschaum bespritzt worden sei. Zum einen bekundet Herr ... in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 20.10.2004 lediglich, dass er "ein direktes Anspritzen mit Schaum-Wasser-Gemisch, insbesondere der Augen" beim Antragsteller nicht wahrgenommen habe. Zum anderen hat Herr ... als der eine vom Antragsteller beschuldigte Feuerwehrmann in seinem Schreiben vom 13.09.2003 selbst erklärt, dass der Antragsteller durch den Löschstrahl gelaufen sei; allerdings habe er den Antragsteller wegen des Rauches und des Wasserdampfes nicht sehen können. Auch bei den polizeilichen Vernehmungen hat er, soweit ersichtlich, jedenfalls die Möglichkeit, dass der Antragsteller damals bei den Löscharbeiten in Mitleidenschaft gezogen worden ist, nicht in Abrede gestellt. Im genannten Schreiben spricht Herr ... im Übrigen auch davon, dass der Antragsteller ihn unmittelbar im Anschluss an den Einsatz wegen des behaupteten Vorfalls zur Rede gestellt habe; dies relativiert die Aussage von Herrn ..., wonach der Antragsteller nach dem Einsatz über eine Augenverletzung nicht geklagt habe.

Mit der Unzulässigkeit einer Beschuldigung wider besseres Wissen ist allerdings nur die äußerste - und letztlich selbstverständliche - Grenze aufgezeigt, ab der die Stellung einer Strafanzeige jedenfalls als ein unkameradschaftliches Verhalten zu werten ist. Aus der besonderen Verbundenheit der Feuerwehrleute in einem gemeinsamen gefahrgeneigten Dienst können indes weitere Einschränkungen folgen; so sind die Angehörigen der Feuerwehr je nach dem Gewicht der vorgebrachten Vorwürfe und behaupteten Rechtsverletzungen gehalten, zunächst eine feuerwehrinterne Klärung der Vorgänge herbeizuführen. Diesen Anforderungen hat der Antragsteller aber jedenfalls genügt. Er hat sich zunächst um eine Bereinigung der Lage durch die Vermittlung seiner Vorgesetzten bemüht; dies war nach der Art des Vorfalls, der zu gravierenden Körperschäden offensichtlich nicht geführt hat und wo ein bloßes Versehen nicht auszuschließen war, auch geboten. Erst nachdem zumindest aus der Sicht des Antragstellers ein ernsthaftes Bemühen seitens der Leitung um eine ausgleichende und unvoreingenommen Behandlung seines Anliegens nicht mehr zu erwarten war, hat er zum Mittel der Strafanzeige gegriffen, um seine Rechte zu wahren. Dem steht nicht entgegen, dass er sich bereits am 30.06.2003 erstmals an die Polizei gewandt hat; denn eine förmliche Strafanzeige hat er damals noch nicht erstattet. Dies ist erst am 26.08.2003 und somit nach den abschließenden Äußerungen des Abteilungskommandanten vom 21.07.2003 erfolgt, mit denen er weitere Schritte abgelehnt hatte.

Auch mit seiner Beschwerde gegen den - ersten - Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft, die diese zu weiteren Ermittlungen veranlasst hat, hat der Antragsteller sich jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht grob unkameradschaftlich verhalten. Ist - wie hier - eine Strafanzeige disziplinarisch letztlich unerheblich, so hat dies in aller Regel auch für die Erhebung eines allgemein vorgesehenen Rechtsbehelfs zu gelten. Eine abweichende Bewertung mag ausnahmsweise dann geboten sein, wenn der Rechtsbehelf letztlich mutwillig eingelegt wird und ohne jeglichen greifbaren Anhaltspunkt für weitere zielführende Ermittlungsmöglichkeiten ersichtlich nur eine nutzlose Fortführung eines für die Beschuldigten belastenden Verfahrens bezweckt. Hierfür ist aber nichts ersichtlich, da die Staatsanwaltschaft nochmalige Vernehmungen der beiden Beschuldigten für angezeigt erachtet hat.

Durch den Leserbrief in der Lokalzeitung, mit dem der Antragsteller auf einen Zeitungsbericht reagiert und seine Sicht der Dinge erstmals einem breiterem Publikum unterbreitet hat, hat der Antragsteller ebenso wenig gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Unter welchen Voraussetzungen eine "Flucht in die Öffentlichkeit" in Anlehnung an die im Beamtenrecht entwickelten Grundsätze auch einem Angehörigen der Feuerwehr verwehrt ist, bedarf hier keiner Klärung im einzelnen. Denn jedenfalls dann, wenn die Auseinandersetzungen in der Feuerwehr schon anderweitig publik gemacht worden sind - hier ist als Informationsquelle der Zeitung eine Indiskretion seitens der Antragsgegnerin nicht auszuschließen -, muss sich der Betroffene keine besondere Zurückhaltung mehr auferlegen.

Schließlich ist der Verweis der Antragsgegnerin darauf, dass sich eine Mehrheit der Mitglieder der Feuerwehrabteilung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller ausgesprochen hat, für die rechtliche Bewertung unerheblich. Allein das Fehlen eines Vertrauensverhältnisses zwischen der Mehrzahl der Feuerwehrleute und dem Feuerwehrangehörigen, der als Unruhestifter angesehen wird, rechtfertigt dessen Ausschluss aus der Feuerwehr nicht; denn die Ausschlussgründe sind in §§ 12 Abs. 4 i.V.m. 14 Abs. 1 FwG abschließend aufgeführt (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12.08.1996 - 1 S 1353/96 -, BWGZ 1997, 826).

Angesichts dieser Rechtslage sind letztlich alle Kontrahenten aufgerufen, ihre persönlichen Animositäten hintanzustellen und sich im Interesse einer funktionsfähigen Feuerwehr wieder auf die Erfüllung ihrer Aufgaben zu konzentrieren.

Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Mit diesem dem Antragsteller günstigen Ausspruch hat sich sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren erledigt.

Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 60 Abs. 3 GKG. Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Verfahren von der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig gebotenen Halbierung des für das Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwerts - hier der Auffangwert - abzusehen (vgl. II. 1.5. Satz 1 1. Alternative des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004 ).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).