Eingemeindungsvertrag auch nach 31 Jahren verbindlich und durchsetzbar
VG Freiburg, Urteil vom 12.02.2005 - Az.: 7 K 1212/04
Leitsätze:
1. Eine durch vertraglich vereinbarte Eingemeindung aufgelöste Gemeinde kann auch 31 Jahre nach der Eingemeindung noch Rechte aus dem Eingemeindungsvertrag gerichtlich geltend machen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die im Vertrag vorhandene Vertretungsregelung auf eine kürzere Zeit befristet ist. Über die Vertretungsbefugnis ist dann durch ergänzende Vertragsauslegung zu entscheiden. (Leitsatz des Herausgebers)
2. Einen Anspruch auf Anpassung eines Eingemeindungsvertrags wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 60 LVerwVerfG BW kann die aufnehmende Gemeinde regelmäßig nicht auf ihre schlechte wirtschaftliche Situation oder auf im Rahmen der Vertragserfüllung demnächst erforderliche Investitionen, die schon bei Vertragsabschluss absehbar waren, stützen. (Leitsatz des Herausgebers)
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Tenor
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 31. Juli 2003, soweit er die Klägerin betrifft, rechtswidrig und die Beklagte gemäß § 13 Abs. 4 der Eingemeindungsvereinbarung verpflichtet ist, im Ortsteil Geschwend weiterhin eine Feuerwehr als selbstständige Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau zu unterhalten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die frühere selbstständige Gemeinde Geschwend, ist heute ein Stadtteil der beklagten Stadt Todtnau, der vom Zentralort ca. drei Kilometer entfernt ist. Sie wendet sich gegen die beabsichtigte Auflösung ihrer Feuerwehr.
Die Klägerin wurde am 1. April 1974 vereinbarungsgemäß in die Beklagte eingegliedert. In § 13 Abs. 4 der Eingliederungsvereinbarung vom 20./27. Februar 1974 - EV - hat sich die Beklagte verpflichtet, im Stadtteil Geschwend eine den dortigen Bedürfnissen entsprechende Feuerwehr als Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau zu unterhalten. Seither besteht in der Ortschaft Geschwend eine Feuerwehr als Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau.
Seit 1998 sind Überlegungen im Gange, die Freiwillige Feuerwehr Todtnau neu zu organisieren und insbesondere die in der Ortschaft Geschwend bestehende Feuerwehrabteilung aufzulösen. In der Gemeinderatssitzung vom 20. Juni 2002 fand keiner der Beschlussvorschläge zur Neugliederung der Feuerwehr eine Mehrheit. Am 31. Juli 2003 bildete die Neukonzeption der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau erneut den Gegenstand einer Gemeinderatssitzung. Nach dieser Konzeption sollten die Abteilungen Brandenberg, Schlechtnau und Geschwend zur Feuerwehr Todtnau zusammengeführt werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, Investitionen für Feuerwehrhaus/Garagen und Fahrzeuge in Geschwend fielen dann nicht an. In Geschwend seien derzeit drei Feuerwehrmänner nicht in diesem Ortsteil wohnhaft, zwei sogar außerhalb des Gemeindegebiets. Weitere Vorteile der Zusammenführung seien: Die Leistungsfähigkeit werde erhöht. Art und Anzahl der Einsätze pro Mitglied steige, ebenso Attraktivität und Motivation. Aus- und Weiterbildung wie auch Ausstattung und Alarmierung würden verbessert, Folgekosten würden abschätzbarer. Als Nachteile wurden angeführt: Dorf- und Vereinsleben veränderten sich möglicherweise nachteilig; Vor-Ort-Kenntnisse könnten fehlen; die Feuerwehr mache weit mehr als nur Feuerwehrdienst; fraglich sei, was bei Katastrophen wie Hochwasser etc. passiere.
Der Gemeinderat fasste sodann in der Sitzung vom 31. Juli 2003 den Beschluss: "Der Beschluss des Gemeinderates vom 20.6.2002 wird aufgehoben. Die Abteilungsfeuerwehren Brandenberg, Schlechtnau und Geschwend werden zum 1.1.2004 in die Feuerwehr Todtnau-Stadt integriert und aufgelöst ... In welcher Form diese Konsolidierung / Auflösung geschehen soll, wird zusammen mit dem Stadtkommandanten und den betroffenen Ortsteilwehren diskutiert."
Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Landratsamt Lörrach als Rechtsaufsichtsbehörde und an das Regierungspräsidium Freiburg. Das Landratsamt teilte dem Regierungspräsidium Freiburg mit Schreiben vom 21. Oktober 2003 mit, eine Beanstandung sei nicht geboten. Das Regierungspräsidium vertrat in einer Besprechung am 26. Januar 2004 (vgl. Schreiben vom 30. Januar 2004) die Auffassung, es ergebe sich noch keine "Unzumutbarkeit", den Vertrag einzuhalten.
Am 4. Juni 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, nach dem Eingliederungsvertrag aus dem Jahr 1974 sei die Beklagte verpflichtet, im Stadtteil Geschwend eine den dortigen Bedürfnissen entsprechende Feuerwehr als Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Todtnau zu unterhalten. Hieran sei die Beklagte gebunden. Es sei der Beklagten nicht unzumutbar, sich weiterhin an die Eingliederungsvereinbarung zu halten.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Beschluss des Gemeinderates der Beklagten vom 31. Juli 2003, soweit er die Klägerin betrifft, rechtswidrig und die Beklagte gem. § 13 Abs. 4 der Eingemeindungsvereinbarung verpflichtet ist, im Ortsteil Geschwend weiterhin eine Feuerwehr als selbstständige Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau zu unterhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, die Klage sei unzulässig. Die ehemalige Gemeinde Geschwend existiere nicht mehr als nach §
61 VwGO beteiligungsfähige teilrechtsfähige Rechtsperson und könne damit nicht als Klägerin auftreten. Sollte die Klägerin obsiegen, würde der Umstand, dass auch 31 Jahre nach Abschluss einer Eingemeindungsvereinbarung unter völlig veränderten Umständen an den damals getroffenen Entscheidungen festgehalten werden müsse und die politische Entscheidung darüber nicht dem Gemeinderat, sondern den Gerichten obliege, für viele andere Gemeinden zu einem Präjudiz werden. Jede Gemeinde habe eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen und zu unterhalten. Das Schutzziel müsse der jeweilige Gemeinderat festlegen; nur er - nicht etwa ein Gericht - könne die örtlichen Maßstäbe konkretisieren, die zu beachten seien. Den Kriterien für die Leistungsfähigkeit aus feuerwehrtechnischer Sicht könne praktisch nur die Feuerwehr in Todtnau-Stadt voll gerecht werden. Defizite hätten nicht nur in Geschwend, sondern auch in anderen Ortsteilen bestanden. Bei seiner Abwägung habe der Gemeinderat berücksichtigt, dass die Ortsteilfeuerwehren dort nicht aufgelöst werden könnten, wo die schnelle Zufahrt der Feuerwehr aus Todtnau-Stadt bei ungünstigen Witterungsbedingungen nicht möglich sei oder besondere Risiken bestünden. In Geschwend habe eine solche Situation nicht bestanden. Mit der Einführung der Ortsverfassung im Jahr 1974 hätten die Ortschaften zwar an der politischen Willensbildung mitbeteiligt werden sollen, jedoch habe der vor der Eingemeindung bestehende Status quo nicht auf alle Zeiten zementiert werden sollen. U. a. sei deshalb in § 15 EV festgelegt worden, dass eine befristete Vertretung der untergegangenen Gemeinde nur bis zum 31. Dezember 1982 erfolge. Nach Ablauf dieses Datums seien Konflikte politisch auf der Ebene einer einheitlichen Gemeinde zu lösen. Die Selbständigkeit der Abteilungsfeuerwehren sei beibehalten worden, weil man in diesem Bereich nicht sofort habe Änderungen vornehmen wollen und seinerzeit die finanzielle Ausstattung der Gemeinde günstiger und die technischen Anforderungen an Feuerwehren geringer gewesen seien. Aufgrund einer Hauptsatzungsänderung im Jahr 1994 sei zumindest faktisch die Eingliederungsvereinbarung geändert worden, so dass der Ortschaftsrat insoweit nur noch ein beratendes Anhörungsrecht habe.
Der Gemeinderat habe bei seiner Entscheidung auch die finanziellen Sachzwänge abgewogen. Der Tourismus habe einen sehr hohen Stellenwert und könne auch bei dem Konzept der Organisation der Feuerwehr nicht unberücksichtigt bleiben. Bei den Zuwendungsrichtlinien gebe es verschiedene Neuerungen. Das Land Baden-Württemberg ziehe sich immer stärker aus der finanziellen Verantwortung zurück, setze andererseits aber die Maßstäbe für die Ausstattung immer höher an. Die finanziellen Verhältnisse könnten dazu führen, dass sich für einen Gemeinderat zum Beispiel die Frage stelle, ob für einen Ortsteil ein neues Feuerwehrfahrzeug angeschafft oder beispielsweise die Grundschule saniert werden solle. Die Beklagte sei weit über das normale Maß hinaus verschuldet. Allein im Bereich der Feuerwehren seien in den letzten fünf Jahren ca. 600.000 EUR aufgewandt worden. In Geschwend wäre in nächster Zeit mit erheblichen Aufwendungen - Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs, Umbau der Garage, Atemschutz - zu rechnen. Neue Anforderungen im Bereich der Führerscheine und Lehrgänge seien zu erfüllen. Ein weiteres Problem sei die Tageseinsatzbereitschaft, zumal die Mannschaftsstärke an der unteren Grenze liege. Aufgrund der durch die Feuerwehrbedarfsplanung geschaffenen Konzeption könne die Beklagte mittelfristig ca. 255.000 EUR einsparen, wenn die Zuschüsse wie bisher flössen; andernfalls erhöhe sich der Betrag der zusätzlichen Aufwendungen auf über 400.000 EUR. Auf Grund der neuen Konzeption sei der Brandschutz in Todtnau gewährleistet, wahrscheinlich sogar verbessert.
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten vor. Auf sie und die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin ist fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (§
61 VwGO). Nach ständiger (verfassungsgerichtlicher) Rechtsprechung sind Gemeinden trotz ihrer Auflösung befugt, Rechte in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren geltend zu machen, die mit ihrem Untergang in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Diese Befugnis umfasst auch Streitigkeiten um Rechtsfolgen, die in dem Eingliederungsvertrag als Gegenleistung dafür vereinbart worden sind, dass die Gemeinde ihre Selbstständigkeit aufgibt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Juli 1983 - 1 S 634/81 -, v. 29. März 1979 - I 1367/78 -, DÖV 1979, 605, und v. 11. September 1978 - I 2443/77 -, jeweils m.w.N.; VG Stuttgart, Urt. v. 15. Juli 2000 -
9 K 2762/98; dem Grunde nach ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. November 1999 -
7 C 10881/99 -,
NVwZ-RR 2000,377, das jedoch den Ortschaftsrat als beteiligtenfähig ansieht; ebenso Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Aufl. Rdnr. 103; a. A. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 9 Rdnr. 19).
Die Klägerin besitzt für das anhängige Verfahren auch die Prozessfähigkeit (§
62 Abs. 3 VwGO). Dies kann insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der zu ihrer Vertretung berufene Ortschaftsrat nach § 15 EV die untergegangene Gemeinde lediglich bis zum 31. Dezember 1982 vertreten soll. Bei der vertraglichen Ausgestaltung der Vertretungsbefugnis sind die Vertragsparteien ersichtlich davon ausgegangen, dass bis zum genannten Zeitpunkt Streitigkeiten aus der Eingliederungsabwicklung nicht mehr bestehen würden und deshalb auch eine Vertretung der ehemaligen Gemeinde über diesen Zeitpunkt hinaus nicht mehr erforderlich ist. Hätten die Vertragsparteien auch die Möglichkeit erwogen, dass sich Auseinandersetzungen aus Anlass des Vertrags über den genannten Zeitpunkt hinaus ergeben könnten, hätten sie eine weitergehende Vertretung der ehemalige Gemeinde durch den Ortschaftsrat vertraglich vorgesehen. Eine insoweit eröffnete "ergänzende Vertragsauslegung" (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Juli 1983, a.a.O.) führt dazu, dass nach den vertraglichen Bestimmungen der Eingliederungsvereinbarung jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit von der Vertretungsbefugnis des Ortschaftsrats auszugehen ist.
Die Annahme einer weiter bestehenden Vertretungsmacht des Ortschaftsrats im vorliegenden Zusammenhang widerspricht auch nicht § 9 Abs. 1 Satz 4 GemO. Diese Vorschrift regelt lediglich allgemein, dass eine befristete Vertretung der ehemaligen Gemeinde bei Streitigkeiten über die Eingliederungsvereinbarung zu erfolgen hat. Die Befristung der Vertretung wird hingegen nicht geregelt; sie bleibt vielmehr der jeweiligen vertraglichen Regelung vorbehalten (vgl. vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Juli 1983 und v. 29. März 1979, a.a.O.).
Die Klage ist als Feststellungsklage nach §
43 VwGO zulässig. Die Klägerin hat insbesondere ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung; der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§
43 Abs. 2 VwGO) steht schon deshalb nicht entgegen, weil sich die Klage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richtet (BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 1970 - VI C 8.69 -, BVerwGE 36, 179).
Die Klage ist auch begründet. Der Beschluss des Gemeinderates der Beklagten vom 31. Juli 2003 ist, soweit er die Klägerin betrifft, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte ist verpflichtet, im Stadtteil Geschwend weiterhin eine Feuerwehr als Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau zu unterhalten.
Der Gemeinderatsbeschluss vom 31. Juli 2003 ist rechtswidrig, weil er gegen § 13 Abs. 4 EV verstößt. Danach ist die Beklagte verpflichtet, in der Ortschaft der Klägerin eine den dortigen Bedürfnissen entsprechende Feuerwehr als Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Todtnau zu unterhalten. Dieser Vertrag ist wirksam.
Auch die Regelung des § 13 Abs. 4 EV ist weiterhin Bestandteil dieses Vertrags. Diese Bestimmung wurde durch die am 24. März 1994 beschlossene Änderung der Hauptsatzung (HS) der Beklagten nicht aufgehoben. Mit dieser Hauptsatzung wurde zwar der Bereich der Angelegenheiten, die dem Ortschaftsrat zur Entscheidung übertragen sind oder zu denen er lediglich zu hören ist, neu geregelt. Während nach § 7 Abs. 3b EV die Angelegenheiten der Freiwilligen Feuerwehr dem Ortschaftsrat zur Entscheidung übertragen waren, zählen diese Angelegenheiten nach § 17 Abs. 4 HS nicht mehr zu diesen; vielmehr gehören sie nur noch zu den wichtigen Angelegenheiten, zu denen der Ortschaftsrat nach § 17 Abs. 2 und 3 Ziff. 3.6 HS zu hören ist. Eine Änderung des § 13 Abs. 4 EV ist dadurch jedoch nicht - auch nicht konkludent - erfolgt.
Der Vertrag ist auch dann weiterhin wirksam, wenn sich die Verhältnisse seit Abschluss dieses Vertrags, wovon die Beklagte ausgeht, wesentlich geändert hätten. Eine nachträgliche wesentliche Änderung der einen öffentlich-rechtlichen Vertrag tragenden Verhältnisse führt nicht zur (rückwirkenden) Unwirksamkeit dieses Vertrags, sondern allenfalls dazu, dass eine Anpassung zu erfolgen hat oder der durch die Änderung Belastete den Vertrag kündigen darf (BVerwG, Beschl. v. 9. Januar 1978 - IV B 183.77 -, Buchholz 316 §
60 VwVfG Nr. 1). Entgegen der Auffassung der Beklagten obliegt auch im Falle einer vor 31 Jahren geschlossenen Eingemeindungsvereinbarung die Entscheidung über die Frage, ob gem. § 60 LVwVfG eine Anpassung zu erfolgen hat oder die Beteiligten nach wie vor an eine Regelung des Vertrags gebunden sind, den Gerichten und nicht den betroffenen Gemeinden.
Unschädlich ist, dass die Beklagte ihren - angeblichen - Anspruch auf Anpassung des Vertrags wegen wesentlich veränderter Verhältnisse nach § 60 LVwVfG nicht auf dem förmlichen Weg einer (Wider-)Klage geltend gemacht hat, denn ein solcher Anspruch kann auch einem auf den Vertrag gestützten Klagebegehren als rechtsvernichtende Einrede entgegengesetzt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. Januar 1995 - 3 C 21/93 -, BVerwGE 97, 331, Beschl. v. 19. Februar 2003 -
9 B 85/02 -,
DVBl 2003, 750, und Urt. v. 18. Oktober 2001 -
3 C 1/01 -,
NVwZ 2002, 486).
Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Anpassung des Vertrags nach § 60 LVwVfGeschwend Diese Bestimmung regelt als öffentlich-rechtliche spezialgesetzliche Normierung der Rechtsgrundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. der "clausula rebus sic stantibus" (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. Dezember 1995 -
10 S 1140/94,
ESVGH 46,115 = VBlBW, 1996, 257) seit ihrem Inkrafttreten am 15. Juli 1977 die Anpassung bestehender Verträge an grundlegend veränderte Verhältnisse und gilt auch für Verträge, die vor dem genannten Datum geschlossen worden sind (BVerwG, Urt. v. 26. Januar 1995, a. a. O.).
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG sind jedoch nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen waren, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des Absatzes 1 ist entsprechend den Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage dann anzunehmen, wenn Änderungen eingetreten sind, mit denen die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages nicht gerechnet haben und die bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass davon auszugehen ist, dass der Vertrag bei Kenntnis dieser Umstände nicht mit demselben Inhalt geschlossen worden wäre. Es muss sich um grundlegende Änderungen handeln, die zu einem mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnis führen. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass das von jedem Vertragspartner normalerweise zu tragende Risiko weit überschritten ist und es dem benachteiligten Partner unmöglich wird, in der getroffenen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. Dezember 1995,
a.a.O.). Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages entfällt dabei nicht schon dann, wenn eine Vertragspartei nach ihrer heutigen Interessenlage vernünftigerweise nicht in den Vertragsschluss einwilligen würde; erforderlich ist vielmehr, dass die Vertragspartner bestimmte, später weggefallene Umstände als gemeinsame Grundlage des Vertrages angenommen und vorausgesetzt haben (OVG Münster, 13. Januar 1992,
NJW 1993, 2637). Darüber hinaus berechtigt § 60 LVwVfG nur zu einer Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse. Es kann daher nur ein Anspruch auf solche Vertragsanpassungen bestehen, die dazu dienen, den geänderten Umständen Rechnung zu tragen.
Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht gegeben und werden dementsprechend von der Beklagten auch nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte behauptet lediglich, damals seien die finanzielle Ausstattung der Gemeinde günstiger und die technischen Anforderungen an Feuerwehren geringer gewesen, die Zuwendungsrichtlinien für die Förderung der Feuerwehren hätten sich geändert, sie selbst sei weit über das normale Maß hinaus verschuldet. Diesen pauschalen, nicht durch entsprechende Zahlen für damals und heute belegten Behauptungen kann schon nicht entnommen werden, welche Verhältnisse sich seit 1974 wesentlich geändert haben sollen. Dementsprechend kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Änderung eingetreten ist in Verhältnissen, die von den Vertragspartnern damals ausdrücklich oder stillschweigend zur gemeinsamen und wesentlichen Grundlage des Vertrags gemacht worden sind.
Im Übrigen kann die Beklagte mit dem Argument der Kostenersparnis nicht gehört werden. Für die Beteiligten war schon 1974 klar, dass das Aufrechterhalten einzelner Feuerwehrabteilungen in den verschiedenen eingegliederten Ortschaften unwirtschaftlich ist und es aus ökonomischen Gründen sinnvoll wäre, einzelne Feuerwehrabteilungen in die Gesamtfeuerwehr einzugliedern. Gerade weil diese Sicht nahe lag - Sinn der Gebietsreform war es gerade, die staatliche und kommunale Verwaltung an die erhöhten Anforderungen der ökonomisch-technischen Entwicklung anzupassen, sie zu vereinfachen und zu rationalisieren (Gern, a. a. O., Rdnr. 105) - und entsprechende Konsequenzen zu befürchten waren, hat sich die Klägerin die Unterhaltung einer eigenen Feuerwehrabteilung zusichern lassen.
Unergiebig ist auch der Hinweis der Beklagten auf ihre wirtschaftliche Situation. Selbst wenn sich diese seit 1974 erheblich verschlechtert haben sollte - was die Beklagte ebenfalls nicht konkretisiert hat - könnte sie mit diesem Argument nicht zum Erfolg kommen. Grundsätzlich hat ein Vertragspartner nicht mit seinen vertraglichen Ansprüchen für das Finanzgebaren des anderen einzustehen. Es ist weder für den Vertragspartner noch für ein Gericht feststellbar, inwieweit die wirtschaftliche Situation des Vertragspartners durch von diesem unbeeinflussbare Faktoren oder durch dessen eigene - u. U. unvernünftige - wirtschaftliche Entscheidungen verursacht ist. Außerdem hat eine Kommune auch in Zeiten knappen Geldes zunächst ihren zwingenden, kraft Gesetzes oder Vertrages bestehenden Verpflichtungen nachzukommen. Dass die Beklagte diesen Verpflichtungen nicht nachkommen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen dürfte die Beklagte, wie andere Kommunen auch, durchaus noch finanzielle Mittel zur Verfügung haben, deren Verwendung nicht zwingend vorgegeben, sondern eine Frage der von ihr gesetzten Prioritäten ist.
Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass das Festhalten am Vertrag für die Beklagte unzumutbar wäre. Eine vollständige und in sich stimmige Berechnung hierzu hat die Beklagte nicht vorgelegt. In der Klageerwiderung vom 17. Januar 2005 spricht die Beklagte lediglich davon, dass sie bei Umsetzung der neuen Feuerwehrkonzeption - je nach Zuschüssen bzw. deren Ausfall - 255.000 EUR - 400.000 EUR einsparen könnte. Welche Ersparnis die Auflösung der Abteilung Geschwend mit sich bringt, wird indes nicht konkret ausgeführt. In einem Schreiben vom 11. Juni 2003 an das Landratsamt gibt die Beklagte die Unterhaltskosten pro Abteilung einer Wehr/Jahr mit ca. 1800 EUR an, macht aber die Einschränkung, dass diverse mögliche Aufwendungen - aus welchen Gründen auch immer - nicht berücksichtigt seien. Die Kosten der notwendigen Investitionen für die Feuerwehr Geschwend für die Jahre 2005 - 2008 werden in einer anderen Aufstellung - ohne Berücksichtigung möglicher Zuschüsse - mit ca. 110.000 EUR angegeben. Diese einmaligen Investitionen können jedoch sachgerecht nur nach Abschreibungsgrundsätzen, d. h. über einen längeren Zeitraum hinweg, berücksichtigt werden. Dass in Kürze erhebliche Investitionen für ein Einsatzfahrzeug, Ausrüstung und Garage fällig werden, hängt außerdem wesentlich auch damit zusammen, dass es die Beklagte in der Vergangenheit wohl unterlassen hat, regelmäßig Investitionen vorzunehmen ("Aufarbeitung der Versäumnisse der Vergangenheit", vgl. Schreiben des Kommandanten vom 14. April 2002) und nunmehr die entsprechenden Investitionen auf einen Schlag fällig werden. Dieses ihr eigenes Verhalten kann die Beklagte indes nicht als Grund heranziehen, um sich nun von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Jedenfalls sprechen die bislang vorgelegten Zahlen nicht dafür, dass der jährlichen Aufwand für eine Feuerwehrabteilung in Geschwend der Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Im Übrigen entspricht es dem normalen Lauf der Dinge und war auch schon 1974 absehbar, dass nach mehr als 30 Jahren eine Feuerwehr ein neues Fahrzeug benötigt oder eine Feuerwehrgarage erneuert oder renoviert werden muss.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sie gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Feuerwehrgesetz auf ihre Kosten eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr mit einem geordneten Lösch- und Rettungsdienst aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten hat. Inwiefern dem jedoch die Einhaltung der mit der Klägerin geschlossenen Vereinbarung oder das vorliegende Urteil entgegenstehen soll, ist nicht ersichtlich. Wenn die Unterhaltung einer leistungsfähigen Feuerwehr bei Aufrechterhaltung der Abteilung in Geschwend mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, so ist dies allein Folge der von der Beklagten 1974 geschlossenen Vereinbarung, nicht aber dieser gerichtlichen Entscheidung.
Die Kammer verkennt nicht das legitime Anliegen der Beklagten, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz ihre Feuerwehr umzustrukturieren und auch Abteilungen aufzulösen. So sinnvoll und nachvollziehbar indes die entsprechenden Überlegungen auch sein mögen, sie beruhen nicht auf einer wesentlichen Änderung der bei Vertragsschluss maßgeblichen Umstände, sondern liegen im Rahmen der bei Vertragsschluss bewusst übernommenen Risiken. Ihrem Anliegen kann die Beklagte nicht eigenmächtig, sondern nur im Einvernehmen mit der Klägerin nachkommen, da § 60 LVwVfG vom Grundsatz, dass geschlossene Verträge einzuhalten sind ("pacta sunt servanda"), nur unter den dargelegten Voraussetzungen eine Ausnahme zulässt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs. 1 VwGO. Die Zulassung der Berufung beruht auf §§
124a Abs. 1,
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.