Amtliche Volksbefragung und Gemeindezuständigkeit
BVerfG, Urteil vom 30.07.1958 - Az.: 2 BvG 1/58
Leitsätze:
1. (...) (amtlicher Leitsatz)
2. Die wahlberechtigten Bürger der Gemeinde, die sich an der amtlich angeordneten Volksbefragung beteiligen, nehmen teil an der Willensbildung der Gebietskörperschaft Gemeinde; sie betätigen sich dabei im status activus; ihre Stimmabgabe gehört nicht in den Bereich des Gesellschaftlichen. (amtlicher Leitsatz)
3. Die Gemeinde ist als hoheitlich handelnde Gebietskörperschaft, soweit ihr nicht Auftragsangelegenheiten vom Staat zugewiesen worden sind, von Rechts wegen darauf beschränkt, sich mit Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises zu befassen. Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises sind nur solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche BVerfGE 8, 122 (122)BVerfGE 8, 122 (123)Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben und von dieser örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können. Die Gemeinde überschreitet die ihr gesetzten rechtlichen Schranken, wenn sie zu allgemeinen, überörtlichen, vielleicht hochpolitischen Fragen Resolutionen faßt oder für oder gegen eine Politik Stellung nimmt, die sie nicht als einzelne Gemeinde besonders trifft, sondern der Allgemeinheit- ihr nur so wie allen Gemeinden - eine Last aufbürdet oder sie allgemeinen Gefahren aussetzt. (amtlicher Leitsatz)
4. Hoheitliche Maßnahmen einer Gemeinde reichen, auch wenn sie unter Mißachtung der der Gemeinde gezogenen rechtlichen Grenzen beschlossen und durchgeführt werden, im allgemeinen nicht in den Raum des bundesstaatlichen Verfassungslebens. Dagegen ist die amtliche örtliche Volksbefragung als bewußt gehandhabtes Mittel, den Gemeindewillen gegen den verfassungsmäßig gebildeten Bundesstaatswillen einzusetzen und eine Änderung bestimmter politischer Entscheidungen auf dem Gebiete des Verteidigungswesens zu erzwingen, ein Tatbestand des Bundesverfassungsrechts. (amtlicher Leitsatz)
5. Was nach Landesrecht im Verhältnis zur Gemeinde eine im Ermessen der Landesregierung liegende Befugnis ist, kann nach Bundesverfassungsrecht im Verhältnis zum Bund Pflicht des Landes werden. (amtlicher Leitsatz)
6. und 7. (...) (amtlicher Leitsatz)
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http://www.servat.unibe.ch/verfassungsrecht/bv008122.html