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Widmung durch dinglich nicht Verfügungsberechtigten

BayObLG, Beschluss vom 05.05.1961 - Az.: 4 St 87/60

Leitsätze:

Fehlt es bei der Widmung einer Straße an einer rechtlich erforderlichen dinglichen Verfügungsberechtigung der widmenden Gebietskörperschaft, so hat dieser Mangel zumindest dann lediglich die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit der Widmung zur Folge, wenn die Gebietskörperschaft gutgläubig und in Übereinstimmung mit der Meinung des tatsächlich Verfügungsberechtigten davon ausgeht, ihr stehe das Verfügungsrecht zu. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Gründe

(...)

Besondere Bemerkungen sind im Hinblick darauf veranlasst, dass nach den Feststellungen des AG der Straßengraben, wie "nachträgliche Vermessungen" ergeben haben, "soweit er am Grundstück des Betroffenen vorbeiläuft", auf seinem Eigentum angelegt ist.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß Art. 65 BayStrWG solche Gräben meint, die schon nach bisherigem Recht als „Zugehörungen” der Straßen galten (BayObLGSt. 14, 65, 68; BayVGH 36, 159; 48, 51; Woerner, BayGemO Anhang zu Art. 28 und 29 Anm. III c 1 S. 203; Helmreich-Rock, BayGemO 7. Aufl. Anm. 26, Laforet, BayGemO Anm. 11 I g letzter Absatz, je zu Art. 28 GemO; v. Kahr, BayGemO Anhang zu Art. 38 GemO Anm. II 6; Kääb-Rösch Anm. 20 zu Art. 89 PolStGB, Anm. 15 zu Art. 90 PolStGB) und die nun nach Art. 2 BayStrWG Bestandteile der Straßen sind. Das ergibt schon der innere Zusammenhang der Vorschriften. Im allgemeinen entspricht es dem Wesen von "Zugehörungen" und "Bestandteilen" wie Gräben, Böschungen, Banketten u. dergl., dass sie, jedenfalls soweit die Frage der Öffentlichkeit in Betracht kommt (anders für die Frage des Gebrauchs; vgl. BayVGH 48, 51; Laforet aaO; Woerner aaO Anm. III c 2 S. 204), die Eigenschaft der Hauptsache, d. i. der eigentlichen Fahr- und Gehbahn teilen. Die Widmung, das ist der Verwaltungsakt, durch welchen die Straße dem öffentlichen Verkehr dargeboten wird und damit die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhält (vgl. dazu Laforet aaO Anm. 11 I b; BayObLGSt. 34, 51, 52; Kahr aaO Anm. II 2; Helmreich-Rock aaO Anm. 9 und 10; für das nunmehrige Recht vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG, Sieder-Zeitler, BayStrWG Anm. 6 zu Art. 6), erfasst nach früherem wie nach dem jetzt geltenden Recht in der Regel ohne weiteres die bezeichneten Bestandteile, wobei die bisherigen Feststellungen des AG keinen Anlaß zu einer Erörterung geben, wie die Rechtslage ist, wenn etwa einer schon vorhandenen öffentlichen Straße erst nachträglich ein Bankett, ein Graben usw. beigefügt wird.

Indessen ist, was sich dem äußeren Anschein nach als "Zugehörung", "Bestandteil" darstellt, ebenso wie das, was nach dem äußeren Anschein ein Teilstück der Straße selbst ist, insoweit von der "Öffentlichkeit" der Straße ausgenommen, als sich die Widmung der Gebietskörperschaft nicht darauf erstreckt hat. In diesem Falle sind diese Stücke eben nicht "Zugehörung", "Bestandteil" der Straße, mögen sie auch tatsächlich der Straße dienen. Was für den Fall gilt, dass es an einer Widmung schon äußerlich gesehen überhaupt fehlt, muss auch für den Fall gelten, dass zwar eine Widmung scheinbar vorgenommen ist, dass sie aber der rechtlichen Wirksamkeit entbehrt. Nach dem früheren Recht war die dingliche Verfügungsberechtigung Voraussetzung der ordnungsgemäßen Widmung (BayObLGSt. 26, 250; 34, 51; BayVGH 22, 85; 49, 73; 49, 78; Helmreich-Rock Anm. 10, Laforet Anm. 11 I, je zu Art. 28 GemO; Woerner Anhang zu Art. 28 und 29 GemO Anm. III; Dyroff, VGG 7. Aufl. Anm. 4 zu Art. 8 Ziff. 34; nunmehr Art. Abs. 3 BayStrWG). Die Frage, ob der Mangel dieser Voraussetzung schlechthin die Nichtigkeit der Widmung oder nur ihre Anfechtbarkeit zur Folge hatte und hat, war und ist umstritten (vgl. insbesondere Forsthoff 8. Aufl. § 19 Nr. 2 S. 335). Für bloße Anfechtbarkeit sprechen sich neuerdings insbesondere Sieder-Zeitler Anm. 25 – 27 und Zimniok, BayStrWG Anm. 8, je zu Art. 6 BayStrWG aus. Der Senat schließt sich dieser Auffassung mindestens für die Fälle an, in denen, wie offenbar hier, die widmende Gebietskörperschaft gutgläubig und in tatsächlicher Übereinstimmung mit der Meinung desjenigen, der sich später als der Verfügungsberechtigte herausstellt, davon ausgegangen ist, dass ihr bezüglich der Straße oder des Straßenteils das Verfügungsrecht zustehe. Es wäre für die Allgemeinheit unerträglich und mit den Erfordernissen eines geordneten Staatswesens unvereinbar, könnten nachträglich, möglicherweise nach Jahrzehnten hervortretende Irrtümer über die Lage eines Grundstücks, die Geschäftsfähigkeit einer Person, die das Grundstück übereignet hat, einen Teil der Straße nicht nur der Öffentlichkeit entkleiden, sondern ihn dem Zugriff einer Privatperson derart preisgeben, dass diese nun nach Gutdünken damit verfahren kann (vgl. dazu auch die in BayObLGSt. 26, 250 allerdings in anderem Zusammenhang angestellte Erwägung). Ein solcher Fehler der Widmung ist zunächst allen Beteiligten verborgen (vgl. zu der Frage der - allerdings im Rahmen der Zuständigkeit erörterten - Offenkundigkeit insbes. OVG Münster DVBl. 1957, 21, 23). Der Fehler ist auch nicht so schwer, dass dem Verfügungsberechtigten, der ja zunächst von seinem Recht keine Kenntnis hatte, nicht zugemutet werden könnte, seine Befugnisse, sofern keine Einigung zustande kommt, in dem hierfür zulässigen Rechtswege vor den bürgerlichen oder Verwaltungsgerichten geltend zu machen und die Freigabe des Grundstücks oder ein Enteignungsverfahren (Art. 6 Abs. 3 BayStrWG) zu erzwingen. Zu eigenmächtigen Maßnahmen ist er, wenn ihm nicht ein anderer Rechtsgrund zur Seite steht, nicht befugt.

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