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Zuständigkeit für Streit zwischen Aufsichtsräten einer kommunalen GmbH

LG Deggendorf, Beschluss vom 13.12.2004 - Az.: 3 O 520/04

Leitsätze:

Bei einer GmbH, deren Alleingesellschafter eine Stadt ist und dessen Aufsichtsrat aus dem Oberbürgermeister und Mitgliedern des Stadtrats besteht, stellt die Arbeit des Aufsichtsrats eine Aufsichtstätigkeit der Kommune dar. Die Beziehungen zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern haben daher öffentlich-rechtlichen Charakter, und für Streitigkeiten zwischen ihnen sind die Verwaltungsgerichte zuständig. (Leitsatz des Herausgebers)

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Fortgang des Verfahrens: Sofortige Beschwerden beider Parteien zurückgewiesen durch Beschluss des OLG München vom 26.01.2005, 8 W 602/05 (ohne eigenständige Begründung).

Volltext

Tenor

Der angerufene Rechtsweg vor den Zivilgerichten ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird verwiesen an das für den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten zuständige Verwaltungsgericht Regensburg.

Gründe

Nach Anhörung der Parteien (§ 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG) war die Unzulässigkeit des Rechtswegs auszusprechen, da der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben ist. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG liegt nicht vor, vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. v. § 40 VwGO, da die streitgegenständlichen Äußerungen im Zusammenhang mit der Aufsichtstätigkeit der Kommune über einen privatrechtlich organisierten "Daseinsvorsorgebetrieb" gefallen sind.

Der Rechtsweg bei Äußerungen von Hoheitsträgern, die im engen Zusammenhang mit privatrechtlicher Verwaltungstätigkeit stehen, ist umstritten (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 RN 7, 10). Bei Äußerungen im Bereich des Verwaltungsprivatrechts überwiegt die Tatsache der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Es handelt sich dann um eine öffentlich-rechtliche Äußerung, gegen die ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch besteht. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Beziehungen prägt in aller Regel die Rechtsfolgen solcher Äußerungen (BGH, NJW 1978, 1860). Bei einem Funktionszusammenhang der Äußerungen mit den Bereichen hoheitlicher Betätigung ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (BGH, aaO).

Die Äußerungen, um die es geht, fielen im Rahmen der Aufsichtstätigkeit der Kommune über die Stadtwerke GmbH, mittels derer die Kommune Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Daher liegt die Wurzel der Beziehungen zwischen den Parteien im öffentlichen Recht, da die Aufsichtstätigkeit nur durch die Kommune wahrgenommen werden kann.

Dies zeigt auch, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates neben der Oberbürgermeisterin, die geborenes Mitglied ist, von der Stadt ... entsandt werden, vgl. Art. VIII der Stadtwerkssatzung. Auch sind nach Auffassung beider Parteien wohl die "Leitlinien zu den gesetzlichen Auskunfts- und Informationsrechten der Stadt ... als Gesellschafterin in kommunalen Gesellschaften und zur Verschwiegenheits- und allgemeinen Treuepflicht einzelner Aufsichtsratsmitglieder" maßgeblich.

Diese Leitlinien wurden von der Stadt ... erlassen. Auch dies zeigt den öffentlich-rechtlichen Charakter der Auseinandersetzung. Gerade dass in diesen Leitlinien in Abschnitt V auch festgelegt ist, dass die Stadt ... (nicht die Stadtwerke GmbH) bei Verletzung ein Ordnungsgeld festsetzen kann, zeigt, dass hier die Äußerung in den Gremien und die fragliche Rüge in der 31. Aufsichtsratssitzung nach öffentlichem Recht zu beurteilen sind.

Die streitgegenständlichen Äußerungen wurden im dienstlich-hoheitlichen Bereich getätigt, da die Aufsichtstätigkeit einer Kommune gegenüber einer GmbH, deren Alleingesellschafter sie ist, eben nicht dem Privatrecht zuzuordnen ist. Würde man hier die Aufsichtstätigkeit nicht als hoheitliche Aufgabe sehen, würde die Gemeinde sich letztlich ihrer Aufgabe gänzlich entledigen können und jegliche Verantwortung für das Handeln der GmbH und demnach für das Handeln im Rahmen der Daseinsvorsorge abgeben können. Gerade dies ist jedoch nicht möglich. Mag auch eine Gemeinde Aufgaben der Daseinsvorsorge privatrechtlich organisieren können, muss sie die Aufsicht über die Aufgabenerfüllung auch weiterhin wahrnehmen. Gerade bei der hier strittigen Strompreiserhöhung war es ureigenste Aufgabe der Gemeinde diesen Punkt zu prüfen und zu überwachen, da sie in diesem Punkt dem Bürger gegenüber die Erfüllbarkeit der Leistung (Bezahlbarkeit des Strompreises) sicherstellen muss. Die Aufsichtstätigkeit ist demnach hoheitlich im Sinne einer Über-/Unterordnung geprägt und nicht im Sinne einer Gleichordnung. Wenn aber nun im Aufsichtsgremium Streitigkeiten gerade über die Wahrnehmung von Aufsichtsrechten, wozu auch Geheimhaltungspflichten udgl. gehören, so haben diese gerade deswegen öffentlich-rechtlichen Charakter. Dies auch deswegen, da die Aufsichtstätigkeit über Bereiche der Daseinsfürsorge im Lichte des öffentlichen Rechts zu sehen ist und auch Informationsbedürfnisse er Öffentlichkeit eine Rolle spielen. Der BGH (NJW 1978, 1860) hat ebenfalls bei einem Fall des Handelns im fiskalischen Bereich die Streitigkeit dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen, bei dem es um die Darstellung bzw. Rechenschaft über hoheitliche Verwaltungstätigkeit ging (so auch Münchener Kommentar, ZPO, 2. A., § 13 GVG RN 172; Kopp-Schenke, VwGO, 13. A. § 40 Rn 28 a).

Die Kammer verkennt nicht, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit privatrechtlich organisierten Kommunalbetrieben grds. dem Zivilrechtsweg zuzuordnen sind. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn es um Aufgabenerfüllung geht, die bei der Kommune verblieben ist bzw. verbleiben musste. Die Aufsicht über eigene Kommunalbetriebe verbleiben bei der Kommune. Daraus resultierende Rechtstreitigkeiten stehen in so engen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung, dass der Verwaltungsrechtsweg anzunehmen ist.

Abschließend ist anzumerken, dass hier der Zivilrechtsweg den handelnden Aufsichtsratsmitgliedern (Parteien) auch Nachteile bringt und ihnen daher der Verwaltungsrechtsweg nicht verschlossen bleiben darf. So ist der Zivilrechtsweg anders als der Verwaltungsrechtsweg, nicht vom Untersuchungs-, sondern vom Verhandlungsgrundsatz beherrscht (vgl. Ehlers, Rechtsstaatliche und prozessuale Probleme des Verwaltungsprivatrechts; DVBl. 1983, 422 ff). Das hat zur Folge, dass beide Parteien für ihre jeweiligen Behauptungen die Beweisführungslast trifft und dass Versäumnisurteile ergehen können. Insofern muss hier dem die Aufsicht über einen Kommunalbetrieb wahrnehmenden Aufsichtsrat bzw. Aufsichtsratsvorsitzenden der "günstigere" Verwaltungsrechtsweg offen stehen.