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Keine rückwirkende Abgabenerhebung bei rückwirkender Inkommunalisierung

OVG Celle, Urteil vom 16.08.1990 - Az.: 139/89

Leitsätze:

Eine rückwirkende Inkommunalisierung bisher gemeindefreier Gebiete ist für das Abgabenrecht unwirksam, weil durch rückwirkend inkraftgetretene Abgabesatzungen unzulässigerweise in abgewickelte, in der Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände eingegriffen wird. (amtlicher Leitsatz)

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Volltext

Tatbestand

Die Kläger sind als Mitglieder des Yacht-Clubs L. Inhaber von Dauerliegeplätzen im Yachthafen der Beklagten. Sie haben dort Segelboote mit Übernachtungsmöglichkeiten in verschiedener Größe und unternehmen vom Hafen aus an den Wochenenden oder während des Urlaubs Segeltörns. Die Kläger wurden jeweils zu einer Jahreskurabgabe von 55,-- DM herangezogen. Die Kurabgabensatzung der Beklagten läßt dem Kurgast die Wahl, anstatt einer nach Tagen berechneten Kurabgabe eine Jahreskurabgabe zu zahlen, wenn der Aufenthalt länger als 21 Tage während der Saison dauert. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben und vorgetragen, daß die Veranlagung schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil der Yachthafen nicht zum Gemeindegebiet der Beklagten gehöre. Der Yachthafen sei ein reiner Parkplatz für ihr Sportgerät. Dies sei nicht mit einer Wohnung zu vergleichen. Die Kureinrichtungen nähmen sie nicht in Anspruch. Übernachtet würde auf dem Boot im Hafen nur bei schlechtem Wetter oder wenn Segelveranstaltungen des Segelvereins stattfänden. Außerdem böte die Satzung für eine Veranlagung keine Grundlage, weil unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz keine Heranziehung der Liegeplatzinhaber aus der näheren Umgebung erfolge, Das VG hat der Klage stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung, die erfolglos blieb.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da die Heranziehungsbescheide aus mehreren Gründen rechtswidrig sind.

Nach § 2 der Satzung der Gemeinde über die Erhebung einer Kurabgabe und von Strandnutzungsgebühren in der Gemeinde Laboe vom 5. Dezember 1983 ist derjenige kurabgabepflichtig, der sich in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September in der Gemeinde L. aufhält und die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtung hat, ohne daß er hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (ortsfremd). Schon diese Voraussetzung lag im Jahre 1984 für die Kläger nicht vor, da der Yachthafen, in dem sich die Liegeplätze befinden, seinerzeit noch eine gemeindefreie Fläche bildete und erst mit Erlaß des Innenministers des Landes Schleswig-Holsteins vom 16. Januar 1986 (ABl. Schleswig-Holstein 1986 Seite 293) in die Gemeinde Laboe eingegliedert wurde. Soweit diesem Erlaß Rückwirkung bis zum 3. Dezember 1982 beigelegt wurde, ist dies jedenfalls für das Abgabenrecht unwirksam, weil durch rückwirkend für diese Gebiete in Kraft gesetzte Kurabgabensatzungen unzulässigerweise in abgewickelte, in der Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände eingegriffen würde (vgl. Thiem, KAG Schleswig-Holstein, Nr. 64 zu § 2 KAG mit weiteren Hinweisen). Der Umstand, daß die Wasserfläche des Yachthafens unmittelbar an das Gemeindegebiet angrenzte und man hier die Kureinrichtungen schnell erreichen kann, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da die Dauerlieger sich in keiner anderen Situation befinden als derjenige, der unmittelbar jenseits der sonstigen Gemeindegrenzen in einem Nachbarort wohnt. Die Satzung als solche kann aber auch sonst nicht als Grundlage für Heranziehung zu Kurabgaben dienen, weil sie keinen auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation beruhenden Abgabensatz enthält. Die vorgelegte Jahreserfolgsrechnung. und die Bilanz können schon deswegen nicht als zureichende Kalkulationsgrundlage für die Kurabgabensätze angesehen werden, weil sie allenfalls Aussagen über den Finanzbedarf der Beklagten im Bereich des Kurbetriebs enthalten. Es fehlen jedoch Angaben zur geschätzten Anzahl der Kurgäste und zu deren durchschnittlicher Verweildauer im Kurort, ohne diese Angaben kann die Angemessenheit der festgelegten Kurabgabesätze, die sich erst aus einer Gegenüberstellung von Finanzbedarf einerseits und Verteilungsmenge andererseits ergibt, nicht in zureichender Weise nachgeprüft und somit eine Verletzung klägerischer Rechte nicht ausgeschlossen werden. Denn derartige Angaben könnten durchaus die Gemeindevertretung zu einer abweichenden Beschlußfassung veranlassen.

Darüber hinaus fehlt es in der Satzung auch an einer Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu einer Jahreskurabgabe. Die Satzung sieht zwar in § 5 Abs. 3 vor, daß der Kurgast nach seiner Wahl anstelle der nach Tagen berechneten Kurabgabe eine Jahreskurabgabe von 55,00 DM zahlen kann, aber zur Lösung einer solchen Jahreskurabgabe kann auch beispielsweise derjenige, der als Ortsfremder innerhalb des Gemeindegebietes eine Eigentumswohnung besitzt und deshalb gem. § 9 Abs. 1 einer Meldepflicht für sich und seine Angehörigen unterliegt, nicht zwangsweise herangezogen werden. Dafür hätte es einer Bestimmung bedurft, daß solche Eigentümer oder Besitzer von Wohngelegenheiten sowie ihre Familienmitglieder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Gemeinde Laboe haben, unabhängig von der Aufenthaltsdauer die Kurabgabe in Höhe der Jahreskurabgabe zu zahlen haben (vgl. § 6 Abs. 6 der Kurabgabensatzung der Gemeinde Gr. vom 18.9.1985). Nur an eine solche Bestimmung hätte sich die Vermutung knüpfen können, daß diese Personen ihre Wohngelegenheit wenigstens während eines für die Zahlung einer Jahreskurabgabe rechtfertigenden Zeitraums nachhaltig zu Erholungszwecken nutzen. Unter diesen Umständen kann es dahingestellt bleiben, ob es überhaupt möglich wäre, die für Wohnungsinhaber gerechtfertigte Vermutung auch auf die Inhaber von Bootsliegeplätzen auszudehnen. Insoweit hat der Senat immerhin gewisse Bedenken, weil die Wohngelegenheit auf den Booten einer Ortsveränderung zugänglich und es von vornherein nicht unwahrscheinlich ist, daß sich der Eigentümer eines solchen Segelbootes während einiger Zeit im Jahr zur Durchführung von Segeltörns nicht im Hafen aufhält. Es bleibt daher gegenwärtig nur die Möglichkeit, diese Personen zur Tageskurabgabe heranzuziehen, wenn sie nicht selber bereit sind, eine Jahreskurkarte zu, lösen. Denn der Einlassung der Kläger, sie kämen nicht zu Erholungszwecken nach Laboe, sondern lediglich, um von dort aus mit ihrem Sportgerät auf See zu fahren, vermag der Senat nicht zu folgen. Sie haben ebenso wie andere Personen, die auf dem Gemeindegebiet von Laboe übernachten, die Möglichkeit, Kureinrichtungen zu benutzen. Dies wird insbesondere dann geschehen, wenn wegen schlechten Wetters oder Flaute ein Auslaufen zum Segeln nicht möglich ist oder wenn beispielsweise zwischen einigen Segeltörns eine Pause eingelegt werden soll oder auch wenn Veranstaltungen des Yachtclubs im Hafen stattfinden. Eine Heranziehung zu Tageskurabgaben erscheint auch durchaus möglich. Sie könnte vom Hafenmeister zusammen mit der Hafengebühr kassiert werden. Allerdings ist eine nachträgliche Erhebung der täglichen Kurabgabe mangels Nachweises der einzelnen Tage im Streitfall nicht mehr möglich. Bedenklich erscheint schließlich die Praxis der Beklagten, die Inhaber von Bootsliegeplätzen aus der näheren Umgebung überhaupt nicht zu Kurabgaben heranzuziehen. Es ist sicher vertretbar, die Einwohner umliegender Landgemeinden zu einem geringeren Kurabgabesatz heranzuziehen, aber eine völlige Freistellung dürfte nicht gerechtfertigt sein, da auch diese die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen haben.