Die "Konzessionsabgabe" eines Eigenbetriebs ist nicht gebührenfähig
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.11.2001 - Az.: 2 K 6/99
Leitsätze:
1. Da Eigenbetriebe einer Gemeinde selbst nicht rechtsfähig sind, kann es auch keine Verträge zwischen Eigenbetrieb und Gemeinde geben. Eine als "Konzessionsvertrag" bezeichnete Regelung über die Benutzung von Wegeflächen der Gemeinde durch den Eigenbetrieb stellt daher keinen Vertrag, sondern eine Verwaltungsanweisung dar. (Leitsatz des Herausgebers)
2. Bei einer im Rahmen einer solchen Regelung abzuführende "Konzessionsabgabe" handelt es sich nicht um gebührenfähige Kosten. (Leitsatz des Herausgebers)
3. Der Ansatz einer kalkulatorischen Miete als gebührenfähige Kosten ist nur möglich, wenn eine alternative Verwertungsmöglichkeit für die betroffene Sache besteht. Im Hinblick auf die Einräumung von Leitungsrechten für die Abwasserbeseitigung fehlt es an so einer Möglichkeit, wenn für die vom Eigenbetrieb betriebene Anlage ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht. (Leitsatz des Herausgebers)
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Tenor
§ 1 der 4. Änderungssatzung vom 21. Dezember 1998 über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung der Stadt .... vom 21. Dezember 1998 wird für nichtig erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Verfahrenskosten.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegnerin wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des § 1 der 4. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung der Antragsgegnerin vom 14. November 1998, die am 21. Dezember 1998 ausgefertigt und zum 01. Januar 1999 in Kraft getreten ist. Die Veröffentlichung erfolgte am 29. Dezember 1998 in den Lübecker Nachrichten. Die Vorschrift lautet wie folgt:
§ 1
§ 12 Abs. 5 erhält folgende Fassung: Die Benutzungsgebühr A beträgt je Kubikmeter Abwasser 5,90 DM.
Die Benutzungsgebühren werden gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Abwassersatzung der Antragsgegnerin vom 14. November 1994 grundsätzlich durch Bescheide der Stadtwerke namens und im Auftrag des Magistrats der Stadt Neustadt in Holstein festgesetzt und erhoben . Auf Grund einer Zusatzvereinbarung zur Konzessionsvereinbarung vom 19. November 1997 haben die Stadtwerke für die Benutzung der Verkehrsräume für den Bereich Abwasserentsorgung Konzessionsabgaben zu zahlen. Durch die angegriffene 4. Änderungssatzung sind diese Konzessionsabgaben in die Benutzungsgebühren einbezogen worden.
Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Sein Grundstück ist an die zentrale öffentliche Abwasseranlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 18. Januar 1999 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller für das Jahr 1999 zu einer monatlichen Abschlagzahlung in Höhe von 92,-- DM für Abwassergebühren veranlagt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 1999 zurückgewiesen worden. Hiergegen hat er am 09. April 1999 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben (- 4 A 45/99 -).
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist am 01. Juli 1999 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen.
Der Antragsteller trägt vor, die Erhöhung der Benutzungsgebühren verstoße gegen das Kostenüberschreitungsverbot. Die in die neuen Benutzungsgebühren eingerechnete Konzessionsabgabe sei eine künstlich geschaffene Abgabe ohne Rechtsgrundlage. Die Antragsgegnerin verwende die Einnahmen zur allgemeinen Haushaltssanierung.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass § 1 der 4. Änderungssatzung vom 21. Dezember 1998 zur Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung der Stadt Neustadt in Holstein nichtig ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie sieht keine rechtlichen Bedenken gegen die Einkalkulation einer Konzessionsabgabe. Die Konzessionsabgabe auf Abwässer gehöre dem Grund nach aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu den ansatzfähigen Kosten i.S.d. § 6 Abs. 2 KAG und sei deshalb gebührenfähig.
Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivortrags im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Dem Antragsteller kommt die gemäß §
47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu, weil beim Verwaltungsgericht unter dem Az. 4 A 45/99 eine von ihm erhobene Anfechtungsklage gegen einen Abwassergebührenbescheid anhängig ist, der auf die hier angegriffene Satzungsbestimmung gestützt ist.
Der Antrag ist auch begründet, da § 1 der 4. Änderungssatzung gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG verstößt. Die Kalkulation des in der angefochtenen Satzungsbestimmung festgelegten Gebührensatzes ist rechtsfehlerhaft, weil in die Berechnung mit der Konzessionsabgabe Kosten einbezogen worden sind, die nicht gebührenfähig sind.
Konzessionsabgaben sind privat-rechtliche Entgelte, die von Unternehmen an die Gemeinden für die Einräumung des Rechts bezahlt werden, die öffentlichen Verkehrswege im Gemeindegebiet für die Verlegung und den Betrieb von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen benutzen zu dürfen. Solche Konzessionsabgaben setzen den Abschluss eines entsprechenden privat-rechtlichen Vertrages zwischen zwei Rechtssubjekten voraus. Eine solche Vereinbarung ist zwischen einer Gemeinde und ihrem eigenen Eigenbetrieb schon deshalb nicht möglich, weil der Eigenbetrieb selbst keine Rechtsfähigkeit hat, sondern gemäß § 1 Abs. 1 Eigenbetriebsverordnung - EigVO - ein wirtschaftliches Unternehmen der Gemeinde ohne Rechtspersönlichkeit ist. Wenn es gleichwohl - wie auch im vorliegenden Fall geschehen - in der Praxis durchaus üblich ist, die rechtlichen Beziehungen auch hinsichtlich der Wegenutzung zwischen einer Gemeinde und ihrem Eigenbetrieb unter der Bezeichnung Konzessionsvertrag zu regeln, so handelt es sich hierbei nicht um einen Vertrag, sondern ihrem rechtlichen Charakter nach um eine besonders gestaltete Verwaltungsanweisung des Bürgermeisters.
Eine solche Regelung beruht im Grunde auf statthaften finanzwirtschaftlichen Überlegungen: Der Eigenbetrieb stellt gemeindliches Sondervermögen dar, das gemäß § 7 Abs. 1 EigVO gesondert zu verwalten und nachzuweisen ist. Aus dieser Verselbständigung des Eigenbetriebs folgt, dass der Leistungsverkehr zwischen der Gemeinde und dem Eigenbetrieb - in beiden Richtungen - gegen angemessene Vergütung zu erfolgen hat (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EigVO). Finanzwirtschaftlich ist von dem Eigenbetrieb, der die Wegeflächen seiner Trägergemeinde nutzt, deshalb für das Zurverfügungstellen der Straßen- und Wegegrundstücke an die Gemeinde ein Entgelt zu entrichten und als Aufwand zu verbuchen.
Diese finanzwirtschaftlich gebotene Maßnahme führt jedoch noch nicht dazu, dass dieser Aufwand auch zu gebührenfähigen Kosten führt. Bei der Kalkulation der Abwassergebühr darf nämlich nicht aus den Augen verloren werden, dass der Träger der Abwasserbeseitigungseinrichtung weiterhin die Gemeinde bleibt und dass zur Erhebung von Benutzungsgebühren gemäß § 1 Abs. 1 KAG allein die Gemeinde berechtigt ist. Maßgeblich für die Kalkulation der Gebühr ist deshalb nicht, was sich beim Eigenbetrieb der Gemeinde nach Maßgabe der dortigen Sondervorschriften als dortiger Aufwand, d.h. als Abstrom aus dem Reinvermögen des Unternehmens darstellt, sondern - allein - was bei der Gemeinde selbst durch den Betrieb der gebührenrechnenden Einrichtung als Summe von aufwandgleichen Grundkosten und Zusatzkosten anfällt. Hieraus wird bereits deutlich, dass sonderrechtsbedingte Verschiebungen, die sich auf Grund der im Einzelfall gewählten Organisation der Einrichtung ergeben, auf den Umfang der gebührenfähigen Kosten und damit auf die Gebührenhöhe keinen Einfluss haben können.
Damit ist jedoch noch nicht der Weg dazu verschlossen, dass für das Zurverfügungstellen der Straßengrundstücke nicht gleichwohl gebührenfähige Kosten eingerechnet werden dürften. Nutzt eine kostenrechnende Einrichtung mietfrei einrichtungsfremde Räume oder Grundstücke der Gemeinde, die wertmäßig nicht in ihrem betriebsnotwendigen Vermögen erfasst sind und daher auch nicht bei der Berechnung der kalkulatorischen Zinsen berücksichtigt werden, so kann dafür eine kalkulatorische Miete angesetzt und als Kosten berechnet werden (vgl. Giesen, Kostenrechnung in der kommunalen Haushaltswirtschaft, Neue Kommunale Schriften, Bd. 37, S. 148; Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung kommunaler Einrichtungen, S. 66). Eine solche kalkulatorische Miete ist - insoweit vergleichbar mit den kalkulatorischen Zinsen - aus der Überlegung gerechtfertigt, dass unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten für das genutzte Wirtschaftsgut bestehen. Die Kostenart ist damit an das Vorhandensein konkurrierender Verwendungsmöglichkeiten für knappe Mittel gebunden. Bereits aus dieser betriebswirtschaftlichen Begründung für die Berechnung kalkulatorischer Zinsen ergibt sich, dass der Antragsgegnerin im gegebenen Falle die Anrechnung einer kalkulatorischen Miete oder Pacht für die Straßengrundstücke verwehrt ist. Es gibt im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin für die Straßenflächen aus rechtlichen Gründen keine konkurrierende Verwendungsmöglichkeit. Die Gemeinde hat in § 6 der Abwasserbeseitigungssatzung vom 16. Dezember 1996 für die von ihr durch ihre Stadtwerke betriebenen Abwasserbeseitigungsanlage den Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet und damit Mitbewerber in der Aufgabenerfüllung und damit auch eine alternative Nutzung der Straßengrundstücke ausgeschlossen. Mit Blick auf die Einräumung von Leitungsrechten für die Abwasserbeseitigung stehen die Straßengrundstücke für eine Konzessionsvergabe deshalb aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung; eine alternative Verwertung der Flächen zu diesem Zweck kommt sonach nicht in Betracht.
Eine Rechtfertigung zur Berücksichtigung der hier in die Gebührenkalkulation eingerechneten Beträge ergibt sich schließlich auch nicht aus der Überlegung, dass durch das Verlegen und Belassen einer Kanalleitung im Straßenkörper Kosten verursacht werden (so aber Lenz GemHH 1995, 180). Für den Fall einer Reparatur des Kanals sind die dadurch anfallenden Kosten ohnehin gebührenfähig; insoweit bedarf es der Konstruktion nicht. Für den Fall eines (ausbau-) beitragsfähigen Um- oder Ausbaus der Straße wäre auch ein solcher Erschwernisaufwand dem beitragsfähigen Aufwand zuzurechnen und über die Erhebung der Straßenausbaubeiträge finanzierbar. Dass dadurch, dass im Straßenraum Abwasserrohre vorhanden sind, Straßenunterhaltungsarbeiten in tatsächlicher Hinsicht erschwert werden und dadurch kostenintensiver sind, wird zutreffen. Dies verschafft jedoch noch keine rechtliche Grundlage für eine dementsprechende Beteiligung an der Finanzierung.
Die Antragsgegnerin war deshalb gehindert, in ihre Benutzungsgebühren eine Konzessionsabgabe auf Abwasser einzukalkulieren. Der durch § 1 der 4. Änderungssatzung zur Beitrags- und Gebührensatzung bestimmte Gebührensatz (§ 12 Abs. 5 BGS) ist somit fehlerhaft und die angefochtene Norm nichtig.