Fünf-Prozent-Klausel für Kommunalwahlen nichtig
ThVerfGH, Urteil vom 11.04.2008 - Az.: VerfGH 22/05
Leitsätze:
1. Eine Fünf-Prozent-Sperrklausel stellt einen Eingriff in den vom Prinzip der Wahlrechtsgleichheit geforderten gleichen Erfolgswert jeder Stimme beim Verhältniswahlprinzip dar und bedarf eines durch die Verfassung legitimierten zwingenden Grundes. (Leitsatz des Herausgebers)
2. Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung kann an sich einen solchen Grund darstellen, wenn ohne die Sperrklausel möglicherweise eine erhebliche Funktionsstörung eintreten kann. Ob dies der Fall ist, ist nicht anhand abstrakt konstruierter Fallgestaltungen zu ermitteln; vielmehr ist auf die politische Wirklichkeit abzustellen. (Leitsatz des Herausgebers)
3. Es ist kein zulässiges verfassungsrechtliches Ziel für die Einführung der Fünf-Prozent-Sperrklausel, für stabile Mehrheiten in dem Sinne zu sorgen, dass über die Wahlperiode des Gemeinderats hinweg eine absolute Mehrheit oder eine beständige Koalition besteht. (Leitsatz des Herausgebers)
4. § 22 Abs. 2 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes vom 16. August 1993 (GVBl. 1993, Seite 530), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. November 2004 (GVBl. 2004, Seite 853), ist, auch soweit diese Regelung gemäß § 27 Abs. 3 des genannten Gesetzes entsprechend auf Kreistagswahlen anwendbar ist, mit Art. 95 Satz 1 der ThürVerf unvereinbar und mit Wirkung für die nächsten landesweiten Kommunalwahlen nach Verkündung dieser Entscheidung nichtig. (amtlicher Leitsatz)
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http://www.thverfgh.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/A53C6DF04A567FE0C125742800307D92/$File/05-0022-U.pdf?OpenElement