Entstehung eines Weges in der Rheinprovinz nach französischem Wegerecht; Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung in NRW
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2009 - Az.: 11 A 3657/06
Leitsätze:
1. Auch nach der Übernahme der Herrschaft in der Rheinprovinz durch Preußen im Jahre 1815 galt dort das französische Wegerecht zumindest für den Bereich des "kleinen Wegewesens" (chemins vicinaux - für den örtlichen Verkehr der Gemeinden bestimmte Wege) weiter. (Leitsatz des Herausgebers)
2. Nach französischem Wegerecht von 1815 konnte ein öffentlicher Weg entweder durch staatlichen Willensakt im Einvernehmen mit Grundeigentümer und Wegebaupflichtigem (regelmäßige Form) oder durch jahrelangen ungestörten Gebrauch (unregelmäßige Form) entstehen. Zur unregelmäßigen Entstehung eines öffentlichen Weges war es erforderlich, dass der Weg für den öffentlichen Verkehr notwendig war, vom Publikum ununterbrochen während längerer Zeit ohne Störung durch den Grundeigentümer und in der Überzeugung eines Rechts auf ungehinderten Verkehr benutzt wurde, der Gebrauch ein allgemeiner war und das Recht auf Gebrauch von der öffentlichen Autorität anerkannt wurde. (Leitsatz des Herausgebers)
3. Eine Notwendigkeit für den öffentlichen Verkehr im Sinne des französischen Wegerechts von 1815 lag nicht vor, wenn der Weg lediglich zur Abkürzung einer anderen Wegeverbindung oder sonst nur zur Annehmlichkeit des Publikums diente. (Leitsatz des Herausgebers)
4. Eine Widmungsvermutung kraft unvordenklicher Verjährung kommt nur für Wege in Frage, deren Entstehungszeitpunkt nicht geklärt ist. (Leitsatz des Herausgebers)
5. Für die Widmungsvermutung kraft unvordenklicher Verjährung ist in Nordrhein-Westfalen auf den 1.1.1962, das Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes, als Zeitpunkt abzustellen, vor dem für 40 Jahre die Benutzung als öffentlicher Weg nachgewiesen sein muss und für weitere 40 Jahre eine Erinnerung an einen anderen Rechtszustand nicht bestehen darf. (Leitsatz des Herausgebers)
6. Auch für den Zeitraum der früheren 40 Jahre, für den keine Erinnerung an einen anderen Rechtszustand bestehen darf, muss positiv feststehen, dass der Weg physisch existiert hat. In Nordrhein-Westfalen kommt eine Widmungsvermutung kraft unvordenklicher Verjährung daher nur für Wege in Betracht, die nachweislich schon 1882 existiert haben. (Leitsatz des Herausgebers)
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