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Zuschussgewährung an Gemeinde kann von Ausschöpfung der eigenen Einnahmequellen abhängig gemacht werden

BVerwG, Beschluss vom 27.01.1989 - Az.: 7 B 12.89

Leitsätze:

Es verstößt weder gegen § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB noch gegen die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. wenn eine rechtssatzmäßig ermächtigte Verwaltungsvorschrift die Bewilligung einer zweckgebundenen Finanzzuweisung regelmäßig davon abhängig macht, daß die Gemeinde, die eine Finanzzuweisung begehrt, ihre Einnahmequellen ausschöpft und sich daher darauf beschränkt, nur den Mindestanteil von 10 vom Hundert des beitragsfähigen Erschließungsaufwands gemäß § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB zu tragen. (amtlicher Leitsatz)

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Tatbestand

Die klagende Ortsgemeinde wendet sich dagegen, daß ihr eine zweckgebundene Finanzzuweisung aus dem Investitionsstock für eine Erweiterung ihres Friedhofs verweigert worden ist. Ihre auf Neubescheidung gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassung der Revision erstrebt, ist nicht begründet. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Eine solche Bedeutung leitet die Klägerin aus einem Verstoß gegen § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB her; diesen sieht sie darin, daß die Gewährung der Finanzzuweisung mit der Begründung abgelehnt worden ist, sie, die Klägerin, habe ihre Einnahmequellen nicht ausgeschöpft, weil sie in ihrer Erschließungsbeitragssatzung den Gemeindeanteil nicht lediglich auf die Mindestquote des § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB in Höhe von 10 vom Hundert beschränkt, sondern auf 33 1/3 vom Hundert des beitragsfähigen Erschließungsaufwands festgesetzt habe; diese Handhabung der Vorschrift über den kommunalen Finanzausgleich verstoße nicht nur gegen § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB, sondern zugleich gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und werfe auch insoweit eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage auf.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Richtig ist zwar, daß § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB die Gemeinden lediglich verpflichtet, mindestens 10 vom Hundert des beitragsfähigen Erschließungsaufwands zu tragen, ihnen also ein Ermessen einräumt, ob sie einen höheren Anteil übernehmen wollen. Es liegt aber auf der Hand, daß dieses Ermessen vielerlei Beschränkungen unterliegt, also praktisch eingeengt ist (so mit Recht Driehaus, Berl. Komm. z. BauGB, 1988, § 129 Rn. 26 unter Hinweis auf die regelmäßig bestehenden Einengungen durch die Finanzlage der Gemeinde und den im Gemeindehaushaltsrecht verankerten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit); die Frage, ob eine Gemeinde einen höheren Eigenanteil übernehmen will, wird regelmäßig von ihren Möglichkeiten, die ihr dadurch entgehenden Einnahmen anderweit zu decken, abhängen, etwa davon, ob ein relativ hohes Gewerbesteueraufkommen oder andere Einnahmen eine Reduzierung der Belastung von Gemeindebürgern mit Erschließungsbeiträgen gestattet. Gerade in solchen teils auf faktischen, teils auf rechtlichen Gegebenheiten beruhenden Überlegungen kommt das den Gemeinden durch § 129 Abs. 1 Satz 3 BBauG eingeräumte Ermessen zum Ausdruck. Bei diesen Erwägungen wird naturgemäß eine Rolle spielen, ob die Gemeinde im Interesse der - wie es das Verwaltungsgericht zutreffend nennt (S. 12 des Urteilsabdrucks) - "Schonung" ihrer Einwohner - übrigens nur eines Teiles der Einwohner, nämlich der Eigentümer von bebaubaren, erschließungsbeitragspflichtigen Grundstücken - darauf verzichten kann und will, für bestimmte gemeindliche Vorhaben Zuschüsse des Landes in Gestalt zweckgebundener Finanzzuweisungen zu erlangen; in der Abwägung zwischen diesen Möglichkeiten liegt der notwendig eingeengte Spielraum der kommunalen Selbstverwaltung. Mit Recht ist bereits im Jahre 1965 darauf aufmerksam gemacht worden, daß Gemeinden in der Regel nicht erwarten können, Mindereinnahmen, die durch nicht überzeugend motivierte Nichtinanspruchnahme eigener Einnahmequellen entstehen, durch höhere Landeszuweisungen ausgeglichen zu erhalten (vgl. Dahm, Erschließung und Erschließungsbeiträge in der kommunalen Praxis, 1965, S. 33); dies geht deswegen nicht an, weil damit eine Gemeinde angesichts der begrenzten Mittel für Finanzzuweisungen letztlich auf Kosten anderer Gemeinden ihre finanziellen Möglichkeiten gegenüber den eigenen Gemeindebürgern nicht ausschöpfen würde. Die "Honorierung" eines solchen Verhaltens würde die Gefahr einer gegen den Gleichheitssatz verstoßenden Praxis bei der Zuweisung von Finanzmitteln herbeiführen können; deswegen kann eine Zuweisung im Einzelfall gänzlich versagt werden.

Die hier maßgebliche, auf der Grundlage des § 17 des Landesgesetzes über den Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz (FAG) ergangene Richtlinie sieht überdies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor, daß von der Regel, wonach eine Gemeinde, die eine zweckgebundene Finanzzuweisung begehrt, ihre Einnahmequellen ausschöpfen muß, in besonders begründeten Einzelfällen abgesehen werden kann, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen (vgl. S. 8/9 des Urteilsabdrucks); dies schließt eine zu starre - vom Gleichheitssatz nicht geforderte und unter Umständen sogar gegen ihn verstoßende - Schematisierung aus; damit ist auch den Bedenken Rechnung getragen, die dagegen erhoben worden sind, daß Gemeinden gezwungen sein könnten, zur Vermeidung von Kürzungen bei Finanzzuweisungen in jedem Fall 90 vom Hundert des Erschließungsaufwands auf die Anlieger umzulegen (vgl. Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, § 129 Rn. 22 sowie Förster in Kohlhammer-Kommentar zum Bundesbaugesetz, § 129 Rn. 24). Das Oberverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, die Klägerin habe nicht dargelegt, daß in ihrem Falle besondere Umstände vorlägen, die ein Absehen von der Erfüllung der erwähnten Voraussetzungen der Richtlinie rechtfertigen würden; die Beschwerde hat gegen diese Feststellung Einwände nicht erhoben, die zudem nur die besonderen Umstände des Einzelfalls betreffen würden, der Rechtssache also keine grundsätzliche, d.h. über den Einzelfall hinausgehende, Bedeutung geben könnten.

Offenbleiben kann die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage, ob die Gewährung einer zweckgebundenen Finanzzuweisung abhängig gemacht werden könnte vom Verzicht auf die Bildung von gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Rückstellungen; darum geht es im vorliegenden Fall nicht, der lediglich die Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten betrifft, zur Deckung eines anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen im gesetzlich vorgesehenen Umfang Erschließungsbeiträge zu erheben. Das aus jenem Beispiel gewonnene Argument der Beschwerde erhielte für die hier zu entscheidende Frage nur dann Gewicht, wenn der Beklagte die Gewährung einer Finanzzuweisung davon abhängig machen wollte, daß eine Gemeinde gesetzwidrig weniger als den in § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB festgelegten Mindestanteil trägt.

Für grundsätzlich hält die Beschwerde schließlich die Frage, ob die erwähnte Richtlinie insoweit, als sie die Gewährung einer Finanzzuweisung in der Regel von der Ausschöpfung der gemeindlichen Einnahmequellen abhängig macht, gegen Art. 28 Abs. 2 GG und die dort festgelegte Selbstverwaltungsgarantie "im Rahmen der Gesetze" verstößt. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, daß ein solcher Verstoß nicht aus einer Verletzung des § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB hergeleitet werden kann; daraus folgt, daß auch die Richtlinie nicht gegen diese Vorschrift verstößt. Die Richtlinie als solche widerspricht ebenfalls nicht dem Vorbehalt des Gesetzes, da sie gesetzlich ermächtigt ist und sich ihrerseits - dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes entsprechend - im Rahmen der Gesetze hält.