Reichweite des bauplanungsrechtlichen interkommunalen Abstimmungsgebots
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.04.1999 - Az.: 3 K 36/97
Leitsätze:
1. Die Pflicht zur zwischengemeindlichen Abstimmung nach §
2 Abs. 2 BauGB setzt Auswirkungen der Bauleitplanung auf die Planungshoheit der Nachbargemeinde voraus.
(amtlicher Leitsatz)2. Kann die Bauleitplanung zu einem Überangebot an Einrichtungen der gemeindlichen Daseinsvorsorge in der Nachbargemeinde führen, ist deren Planungshoheit mangels Zwang zu planerischer Reaktion nicht berührt.
(amtlicher Leitsatz)3. Nachbargemeindliche Belange ohne städtebaulichen Bezug sind im Rahmen der Abwägung nach §
1 Abs. 6 BauGB zu berücksichtigen.
(amtlicher Leitsatz)
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Das antragstellende Amt (Antragsteller) wendet sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin mit der Bezeichnung "Ludwigsluster Chaussee/Am Grünen Tal" (Nr. 25.95.01), soweit dieser Bebauungsplan die Festsetzung eines Sondergebietes für die Errichtung eines Möbelmarktes mit einer Verkaufsfläche (VF) von 30.000 qm vorsieht. Auf dem Gebiet der von dem Antragsteller vertretenen Gemeinde Pampow befindet sich ein Möbelmarkt ("Rück") mit einer VF von mittlerweile etwa 19.500 qm.
Im Jahre 1992 änderte die Gemeinde Pampow ihren Bebauungsplan Nr. 1 mit der Bezeichnung "Gewerbegebiet Fährweg", um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung des Möbelmarktes "Rück" zu schaffen. Dabei beteiligte die Gemeinde Pampow die unmittelbar benachbarte Antragsgegnerin. In einem Anhörungsschreiben vom 05.03.1992 wies sie zunächst darauf hin, daß zwischen der Antragsgegnerin, dem Landrat des ehemaligen Landkreises Schwerin sowie der Industrie- und Handelskammer bereits eine Übereinstimmung dahingehend erzielt worden sei, in der Gemeinde Pampow eine Sondergebietsfläche für ein nicht-innenstadtrelevantes Einzelhandelsgebot auszuweisen. Nun sei beschlossen worden, eine Sondergebietsfläche von 30.000 qm festzusetzen. Die Antragsgegnerin stimmte mit Schreiben vom 23.04.1992 der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Fährweg" zu. Bedenken äußerte sie lediglich gegen die Formulierung der beabsichtigten Planfestsetzungen. Außerdem wies sie auf die grundsätzliche Gefahr einer funktionellen Schwächung des Oberzentrums Schwerin hin. Der Wirtschaftsminister wies den ehemaligen Landkreis Schwerin aus Anlaß der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Fährweg" auf die Erforderlichkeit hin, für die räumliche Entwicklung der Region Schwerin ein abgestimmtes Stadt-Umland-Konzept zu erarbeiten. Die Lage des Vorhabens im Verflechtungsraum des Oberzentrums Schwerin begründe eine Planung über den gemeindlichen Bedarf hinaus und erfordere besonders intensive Abstimmungen zwischen den betroffenen Gemeinden, insbesondere zwischen Pampow und Schwerin. Ein Sondergebiet mit 15.000 bis 20.000 qm VF könne erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen im Oberzentrum haben.
Am 20.10.1995 faßte die Stadtvertretung der Antragsgegnerin den Beschluß zur Aufstellung des streitbefangenen Bebauungsplanes "Ludwigsluster Chaussee/Am Grünen Tal". Beabsichtigt war, das östlich der Ludwigsluster Chaussee liegende, zuletzt von Streitkräften der GUS genutzte, ungefähr 46 ha große Kasernengelände zur Errichtung von verschiedenen öffentlichen Einrichtungen, eines großflächigen Möbelmarktes sowie eines Baumarktes zu nutzen. Das Amt für Raumordnung und Landesplanung Westmecklenburg stimmte der Planung, unter anderem der Errichtung eines Möbelmarktes mit einer VF von 30.000 qm, aus raumordnerischer und landesplanerischer Sicht zu. Zur Begründung heißt es, mit der Umsetzung des Bebauungsplanes könne die Kernstadt des Ordnungsraumes Schwerin ihrer Versorgungsfunktion im Oberbereich Schwerin besser gerecht werden.
Die Gemeinde Pampow wandte sich mit Schreiben vom 01.03. sowie 17.04.1996 gegen die beabsichtigte Planung der Antragsgegnerin. Ein Gutachten der ... zeige, daß angesichts in Schwerin und Umgebung bereits vorhandener Wettbewerbsflächen sowie Erweiterungsplanungen die Ansiedlung eines weiteren Wohnkaufhauses von 30.000 qm VF überdimensioniert sei. Ein solches Vorhaben schaffe einen Verdrängungswettbewerb sowie Existenzbedrohungen für bereits vorhandene Betriebe. Da sich im Raum Schwerin bereits verschiedene Möbelanbieter angesiedelt hätten, treffe die Bauleitplanung der Antragsgegnerin eine Vorbelastung. In diesem Zusammenhang sei das Prinzip der Priorität ein wichtiger abwägungsbeachtlicher Gesichtspunkt. Da der geplante Markt insbesondere den Möbelmarkt "Rück" mit seinen 250 Arbeitsplätzen bedrohe, bitte man darum, von der beabsichtigten Planung Abstand zu nehmen.
Die Antragsgegnerin wies in ihrem an die Gemeinde Pampow gerichteten Schreiben vom 26.03.1996 darauf hin, es komme darauf an, die Ansiedlungspriorität für großflächige Einzelhandelseinrichtungen bei dem Oberzentrum zu belassen und weitere Fehlentwicklungen zu vermeiden. Für den Möbelsektor gehe man von einem Nachholbedarf aus, so daß die in Vorbereitung befindliche Möbelverkaufsfläche im Raum Schwerin vertretbar erscheine.
Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange teilte unter anderem die Industrie- und Handelskammer mit, sie begrüße vorliegende Planung. Die vorgesehene VF von 30.000 qm für den Möbelmarkt betrachte man wegen der Auswirkungen für die Entwicklung des Möbeleinzelhandels in der Region Westmecklenburg als Maximum. Dabei gehe man davon aus, daß eine geplante Flächenerweiterung eines anderen Unternehmens nicht mehr realisiert werde. Der Einzelhandelsverband sprach sich für eine Begrenzung der VF für den Möbelmarkt von 20.000 qm aus und verwies auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten der ... Dieses prognostiziere bei einer VF von 30.000 qm unter anderem die Gefahr eines ruinösen Verdrängungswettbewerbs sowie der Gefährdung kleiner Betriebe in der Region und der dort vorhandenen Arbeitsplätze.
Am 27.09.1996 beschloß die Stadtvertretung der Antragsgegnerin über die vorgetragenen Bedenken und Anregungen. Zugleich faßte sie den Satzungsbeschluß. Der Antrag auf Genehmigung des Bebauungsplanes ist von der Genehmigungsbehörde nach mehrmaliger Verlängerung der Genehmigungsfrist nicht beschieden worden. Die Antragsgegnerin hat den Eintritt der Genehmigungsfiktion am 29.06.1997 bekanntgemacht.
Der Antragsteller hat am 03.09.1997 für die Gemeinde Pampow den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.
Er vertritt die Auffassung: Die angegriffene Planung sei im Verhältnis zu den Interessen der Gemeinde Pampow rücksichtslos und verstoße daher gegen das Abstimmungsgebot des §
2 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Unter Zugrundelegung der Gutachten sowie der Stellungnahme des Einzelhandelsverbandes sei mit einem Niedergang des Möbelhauses "Rück" zu rechnen, mit erheblichen Folgen für die Wirtschaft der Gemeinde Pampow, die dortige Arbeitsmarktlage sowie ihr Gewerbesteueraufkommen. Von daher hätte das Sondergebiet für den Möbelmarkt entweder nicht oder nicht in dem geschehenen Umfang festgesetzt werden dürfen. Wegen der mit der Antragsgegnerin abgestimmten Ansiedlung des Möbelhauses "Rück" im Jahre 1992 habe man Vertrauen dahin entwickeln können, daß weitere Betriebe in der Region nur rücksichtsvoll geplant werden dürften. Abwägungsvorgang und -ergebnis litten an Fehlern. Den Stadtvertretern seien wichtige Informationen nicht zur Verfügung gestellt worden. Sie seien weder über die im Jahre 1992 durchgeführten Abstimmungen zwischen den Beteiligten, noch über die vorliegenden Gutachten informiert gewesen. Ihre Bedenken seien heruntergespielt worden. Auch die Bedenken der IHK hätten keine Berücksichtigung gefunden. Die Stadtvertretung habe hinsichtlich des Begriffes "branchentypisch" einen Beschluß gefaßt, der im Bebauungsplan keinen Niederschlag gefunden habe. Damit sei die Satzung nicht ordnungsgemäß zustandegekommen. Schließlich sei der Bebauungsplan in rechtswidriger Weise durch Eintritt der Genehmigungsfiktion genehmigt worden. Die Gutachten hätten dem Ministerium nicht vorgelegen. Allein deshalb habe es den Plan nicht geprüft.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan Nr. 25.95.01 "Ludwigsluster Chaussee/Am Grünen Tal" der Antragsgegnerin insoweit für nichtig zu erklären, als er ein Sondergebiet für einen Möbelmarkt mit 30.000 qm ausweist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie vertritt den Standpunkt: Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, da es allein um die Verhinderung von Konkurrenz für den Möbelmarkt "Rück" gehe. Wirtschaftliche oder fiskalische Interessen habe die Antragsgegnerin jedoch in ihrer Abwägung nicht berücksichtigen müssen. Eine Desinformation der Stadtvertreter habe nicht stattgefunden.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint ebenfalls, der Normenkontrollantrag könne keinen Erfolg haben. Die Antragstellerin werde durch die streitige Planung nicht in ihrem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht verletzt, da der Möbelmarkt "Rück" nicht der gemeindlichen Versorgung diene. Zwischengemeindlichem Wettbewerb müsse sich die Gemeinde stellen. Es sei nicht Aufgabe der Bauleitplanung, dies zu verhindern. Die geltend gemachten Mängel im Abwägungsvorgang lägen nicht vor. Die Antragsgegnerin habe sich mit den vorgetragenen Bedenken intensiv auseinandergesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Verwaltungsvorgang verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller ist insbesondere antragsbefugt nach §
47 Abs. 2 VwGO, da eine Verletzung des Rechtes der Gemeinde Pampow auf interkommunale Abstimmung nach §
2 Abs. 2 BauGB durch die Festsetzungen eines Möbelmarktes mit der vorgesehenen Verkaufsfläche zumindest nicht als von vornherein ausgeschlossen erscheint.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bebauungsplan "Ludwigsluster Chaussee/Am Grünen Tal" (Nr. 25.95.01) ist gültig. Er steht mit höherrangigem formellen und materiellen Recht im Einklang. Die von Antragstellerseite vorgetragenen Rechtsverstöße liegen entweder bereits nicht vor oder sind zumindest nicht erheblich im Sinne des §
214 Abs. 3 Satz 2 BauGB.
1.
Der Bebauungsplan ist formell ordnungsgemäß zustandegekommen. Der von dem Antragsteller vorgebrachte Einwand, die Genehmigungsbehörde habe die nach §
10 Abs. 2 BauGB erforderliche Genehmigung des Bebauungsplanes wegen fehlender Prüfunterlagen (Einzelhandelsgutachten der ... und ...) nicht erteilt, diese Unterlagen jedoch nicht nachgefordert und die Genehmigungsfiktion nach §
6 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. §
10 Abs. 2 Satz 2 BauGB daher rechtswidrig eintreten lassen, geht fehl. Nach §
214 Abs. 1 Nr. 3, 2. Alt. BauGB ist ein Verstoß gegen §
10 Abs. 2 BauGB nur dann beachtlich, wenn die Genehmigung nicht erteilt worden ist, wobei der ausdrücklich erteilten Genehmigung die Fiktion der Genehmigung rechtlich gleichsteht (Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 6 Rn. 22). Ein zur Ungültigkeit der Satzung führender Verstoß gegen §
10 Abs. 2 BauGB liegt daher nicht vor, wenn die Genehmigungsfiktion nur wirksam eingetreten und später nicht aufgehoben worden ist. Etwaige Versäumnisse der Behörde im Genehmigungsverfahren sind für die Wirksamkeit ohne Belang, soweit sie nicht den Eintritt der Genehmigungsfiktion ausschließen. An einem wirksamen Eintritt der Genehmigungsfiktion ist hier nicht zu zweifeln. Selbst wenn einzelne Prüfunterlagen - wie beanstandet - nicht vollständig vorliegen, beginnt die Frist für die Erteilung der Genehmigung nach §
6 Abs. 4 BauGB zu laufen. Der Antrag muß nur grundsätzlich prüffähig sein (vgl. Bielenberg, a.a.O., Rn. 15). Davon ist hier ohne weiteres auszugehen.
Ebenfalls nicht zu folgen ist dem Einwand des Antragstellers, der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß zustandegekommen, weil er von dem abweiche, was die Stadtvertretung der Antragsgegnerin über die Beschreibung des zulässigen Sortiment des Möbelmarktes beschlossen habe. Die von der Stadtvertretung beschlossenen Empfehlungen der Verwaltung gingen nicht - wie es der Antragsteller wohl verstanden wissen will - dahin, den Begriff "branchentypisch" durch eine Positiv-/Negativliste zu ersetzen. Die Verwaltung hatte lediglich empfohlen, die in Frage kommende Sortimentsbreite durch eine zusätzliche Liste zu konkretisieren. Nichts anderes ist durch eine Auflistung konkreter Randsortimente sowie weiterer einzelner Artikel Regelungsbestandteil des Bebauungsplanes geworden.
Unbegründet ist der Einwand, entgegen dem Willen des Plangebers sei nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes auf der gesamten Verkaufsfläche des Möbelmarktes das Angebot "zentrentypischer Artikel" zulässig. Punkt 1.6.1.2 der Bebauungsplanfestsetzungen begrenzt das Angebot solcher Artikel ausdrücklich auf 5 % der Verkaufsfläche. Die auf der gesamten Marktfläche zulässigen "branchentypischen Nutzungen eines Möbelmarktes" umfassen sogenannte "zentrentypische Artikel" hingegen im wesentlichen gerade nicht.
2.
Die angefochtene Sondergebietsausweisung verstößt nicht gegen Vorschriften des Baugesetzbuchs; sie steht insbesondere im Einklang mit dem zwischengemeindlichen Abstimmungsgebot nach §
2 Abs. 2 BauGB.
Nach diesem Gebot sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. §
2 Abs. 2 BauGB regelt nicht die verfahrensmäßige Seite der Abstimmung, sondern betrifft das materielle Verhältnis von Bauleitplänen benachbarter Gemeinden, das inhaltliche "Abgestimmtsein" der Planung. Die Vorschrift und ihre Auslegung sind vor dem Hintergrund der gemeindlichen Planungshoheit, dem aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art.
28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) folgenden Recht auf Planung und Regelung der Bodennutzung im Gemeindegebiet (§
2 Abs. 1 BauGB), zu sehen. Aus diesem rechtlichen Zusammenhang folgt, daß es der zwischengemeindlichen Abstimmung - unabhängig davon, ob bei der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder doch bestimmte planerische Vorstellungen bestehen - immer dann bedarf, wenn "unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art" in Betracht kommen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1972 - BVerwG
IV C 17.71 -, BRS 25 Nr. 14; Urteil vom 15.12.1989 - BVerwG
4 C 36.86 -,
BVerwGE 84, 209). Von den Auswirkungen der Planung müssen Rechte der Nachbargemeinde betroffen sein; es reicht nicht aus, wenn ihr nur Erwartungen oder Hoffnungen gegenüberstehen. Die betroffene Rechtsposition ist die gemeindliche Planungshoheit. Wenn sich die streitige Planung in dieser Richtung auswirken kann, ist die planende Gemeinde gemäß §
2 Abs. 2 BauGB verpflichtet, sie mit der Nachbargemeinde abzustimmen. Gefordert ist daher ein Bezug der gemeindlichen Planung auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde (vgl. BVerwG, Beschluß vom 09.01.1995 -
4 NB 42.94 -, BRS 57 Nr. 5).
Daraus ergibt sich, daß Auswirkungen auf gemeindliche Belange außerhalb des Sachbereiches des Städtebaus, deren Wahrnehmung nicht Gegenstand der gemeindlichen Planungshoheit ist, die Pflicht zu interkommunaler Abstimmung nach §
2 Abs. 2 BauGB nicht auslösen. Das interkommunale Abstimmungsgebot begründet kein von der Planungshoheit losgelöstes allgemeines Planabwägungsrecht auf Berücksichtigung jedweder gemeindlicher Interessen (BayVGH, Urteil vom 04.09.1984 - Nr. 1 B 82 A.439 -,
BayVBl. 1985, 83).
Nach diesen Grundsätzen war die Antragsgegnerin (jedenfalls) nicht nach §
2 Abs. 2 BauGB verpflichtet, ihre Planung hinsichtlich des Sondergebietes für den Möbelmarkt mit der Gemeinde Pampow abzustimmen. Die von dem Antragsteller befürchteten Auswirkungen dieser Planung betreffen nicht die der Gemeinde zustehende Planungshoheit; ihnen fehlt der erforderliche städtebauliche Bezug. Das gilt zunächst für den Gesichtspunkt eines durch den befürchteten Niedergang des Möbelhauses "Rück" bedingten Verlustes von Arbeitsplätzen in der Gemeinde sowie für die erwartete, damit im Zusammenhang stehende Einbuße an Gewerbesteuern:
Das öffentliche Baurecht schützt den einzelnen Gewerbetreibenden nicht vor wirtschaftlicher Konkurrenz. Das Bauplanungsrecht ist vordem Hintergrund der Art.
12 Abs. 1 und Art.
14 Abs. 1 GG grundsätzlich wettbewerbsneutral. Bauleitplanung darf nicht in den leistungsfördernden Wettbewerb im Einzelhandel staatlich eingreifen (vgl. OVG Weimar, Beschluß vom 23.04.1997 -
1 EO 241/97 -,
LKV 1997, 372; VGH Mannheim, Beschluß vom 21.12.1976 - III 415/76 -, BRS 30 Nr. 24; Fickert/Fieseler, BauNVO, 8. A., § 11 Rn. 23.1). Demzufolge ist der einzelne Gewerbetreibende nicht nach §
47 Abs. 2 VwGO befugt, einen Bauleitplan im Hinblick auf hinzutretende Wettbewerber gerichtlich prüfen zu lassen (BVerwG, Beschluß vom 16.01.1990 -
4 NB 1/90 -,
NVwZ 1990, 555). Erst recht ist die Gemeinde, in deren Gebiet der Gewerbetreibende angesiedelt ist, nicht befugt, dessen Interessen als dessen Sachwalter im Bebauungsplanverfahren rechtlich durchzusetzen (vgl. allgemein BVerfG, Beschluß vom 08.07.1982 -
2 BvR 1187/80 -, BVerfGE 61, 83, 103).
Ebensowenig wie die Gemeinde rechtlichen Schutz für auf ihrem Gebiet angesiedelte Gewerbetreibende vor wirtschaftlicher Konkurrenz geltend machen kann, ist sie nach §
2 Abs. 2 BauGB vor Veränderungen ihrer eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Situation bauplanungsrechtlich geschützt. Das durch diese Bestimmung geschützte Recht der Gemeinde, ihre städtebauliche Entwicklung autonom zu planen, besteht lediglich in Abhängigkeit von den von außerhalb des Rechtes der Bauleitplanung vorgegebenen tatsächlichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie nur in deren jeweiligen Grenzen. Es erstreckt sich nicht auf deren Beeinflussung, Entwicklung oder Beibehaltung. Eine finanzschwächere Gemeinde ist deshalb nicht in geringerem Maße in den Stand gesetzt, ihre Bodennutzung eigenverantwortlich zu ordnen und zu regeln, als eine vermögendere Gemeinde. Die bloße Hoffnung oder Erwartung, bestimmte wirtschaftliche Verhältnisse erreichen oder sichern und auf ihrer Grundlage eine bestimmte gemeindliche Planung verwirklichen zu können, kann der Bauleitplanung der Nachbargemeinde nicht entgegengehalten werden. Das gilt auch für die Aspekte eines drohenden Verlustes von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuern.
Demnach im Rahmen des §
2 Abs. 2 BauGB grundsätzlich nicht zu berücksichtigende wirtschaftliche Folgen für den einzelnen Betrieb oder die Nachbargemeinde können allerdings im Ausnahmefall in städtebauliche Folgen umschlagen. Das wird in der Rechtsprechung etwa dann angenommen, wenn aufgrund der Planung Verkehrsströme völlig umgelenkt würden oder die ganze örtliche Wirtschaft von Kaufkraftabflüssen bedroht würde mit der Folge einer Verödung der Innenstadt und Unterversorgung der dort ansässigen Bevölkerung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 23.11.1982 - 6 C 7/79 -, BRS 39 Nr. 36; OVG Weimar, a.a.O.). In diesen Fällen treten Zustände ein, die unter städtebaulichen Gesichtspunkten planungsrechtlich nicht vertretbar wären und bei Verwirklichung der angefochtenen Planung Reaktionen der betroffenen Nachbargemeinde auf Beseitigung dieses Zustandes auslösten. Die hier befürchteten Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation und das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinde Pampow begründen einen solchen städtebaulichen Umschlag jedoch ersichtlich nicht. Diese negativen Folgen wären, anders als im eben dargestellten Fall, mit den Mitteln des Baurechts nicht zu regulieren.
Auch die von Antragstellerseite zuletzt befürchteten negativen Auswirkungen auf das Gewerbegebiet "Fährweg" betreffen nicht nachteilig die Planungshoheit der Gemeinde Pampow:
Der Antragsteller hat vorgetragen, der befürchtete Niedergang des Möbelhauses "Rück" werde nicht ohne Folgen für weitere Betriebe bleiben, die sich in dem Gewerbegebiet angesiedelt hätten. Auswirkungen seien selbst auf die Planung von Wohngebieten und Kindergartenplätzen anzunehmen.
Entscheidend für die Auffassung des Senates, auch unter diesem Aspekt keine städtebaulichen Auswirkungen anzunehmen, ist der Umstand, daß die Gemeinde Pampow selbst bei Eintritt der befürchteten Folgen nicht zu einer bauplanerischen Reaktion gezwungen wäre. Es ist nicht ersichtlich, daß bei dem von der Antragstellerseite geschilderten Geschehensablauf Zustände eintreten sollten, die unter städtebaulichen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar wären und denen somit planerisch entgegengesteuert werden müßte. Das gilt für eine Abwanderung von Betrieben aus dem Gewerbegebiet ebenso wie für ein etwaiges, daraus sich ergebendes, den gemeindlichen Bedarf übersteigendes Angebot von Baugrundstücken und Kindergartenplätzen. Die Situation der Gemeinde Pampow stellte sich geradezu entgegengesetzt zu derjenigen dar, in der ein Zwang zu planerischer Reaktion und damit eine Berührung gemeindlicher Planungshoheit anzunehmen ist.
Begründet eine gemeindliche Bauleitplanung die Annahme, daß die Nachbargemeinde mit Folgelasten zu rechnen hat, weil ihre bestehenden Einrichtungen der Daseinsvorsorge bei Verwirklichung der Planung den Bedarf nicht mehr befriedigen könnten (BVerwG, Urteil vom 08.09.1972,
a.a.O.) und deshalb ausgebaut werden müßten, so lägen städtebauliche Auswirkungen vor. Die Planungshoheit der Nachbargemeinde wäre betroffen. Solche Folgelasten stehen vorliegend nicht in Rede.
3.
Wenn die geltend gemachten Belange der Gemeinde Pampow auch nicht im Rahmen des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebotes zu berücksichtigen waren, so hatte sie die Antragsgegnerin doch in die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange nach §
1 Abs. 6 BauGB einzustellen. Insoweit hat die planende Gemeinde auch solche nachbargemeindlichen Interessen zu beachten, die den zuvor angesprochenen Bezug zur Planungshoheit nicht haben und deshalb §
2 Abs. 2 BauGB nicht unterfallen. Abwägungsfehler liegen jedoch nicht vor. Das gilt sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis.
Der Antragsteller kann mit seiner Rüge, der Stadtvertretung seien verschiedene Informationen über abwägungsbeachtliche Umstände, insbesondere die Gutachten der ... und ..., Informationen über den Investor und bestimmte Einschätzungen der Industrie- und Handelskammer vorenthalten worden, keinen beachtlichen Fehler im Abwägungsvorgang geltend machen. Bereits die Annahme, die Stadtvertretung sei nicht ausreichend informiert und sogar getäuscht worden, trifft nicht zu. Ausweislich der in der Anlage zum Beschluß der Stadtvertretung vom 27.09.1996 dargestellten Bedenken der Träger öffentlicher Belange war die Stadtvertretung über die Bedenken der Gemeinde Pampow ausreichend informiert. Diese werden hier, in der Sache zutreffend, dahin zusammengefaßt, daß der Einwender eine Vervielfachung der vorhandenen Verkaufsflächen und damit eine Gefährdung bestehender und noch zu erstellender Möbelhäuser sieht. Damit war der Kern der zwischengemeindlichen Problemlage bekannt, zumal aufgrund der Bekanntheit des Möbelhauses "Rück" in der Region Schwerin jedem einzelnen Stadtvertreter klar sein mußte, welches Möbelhaus durch die Realisierung des geplanten Möbelmarktes gefährdet sein sollte. Die Stadtvertretung war damit in den Stand gesetzt, im Falle eines weitergehenden Informationsbedarfes sämtliche vorliegenden Daten und Äußerungen abzufragen. Das reicht aus. Die Stadtvertretung von vornherein und gewissermaßen "ungefragt" über sämtliche im Beteiligungsverfahren ermittelten Einzelheiten in Kenntnis zu setzen, dürfte mit einer praktikablen Verfahrensgestaltung nicht in Einklang zu bringen sein.
Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Senats - die Vorgehensweise der Antragsgegnerin fehlerhaft gewesen sein sollte, wäre dieser Fehler im Abwägungsvorgang nach §
214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht erheblich. Erheblich ist ein solcher Fehler nur dann, wenn er auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen ist. Bei der erforderlichen konkreten Betrachtungsweise (siehe dazu: BVerwG, Urteil vom 21.08.1981 -
4 C 57.80 -,
BVerwGE 64, 33; Beschluß vom 20.01.1992 -
4 B 71/90 -,
NVwZ 1992, 663; Beschluß vom 20.01.1995 -
4 NB 43/93 -,
NVwZ 1995, 692) ist ein solcher Einfluß vorliegend nicht anzunehmen. Nicht ausreichend ist danach die lediglich abstrakte Möglichkeit, daß bei zutreffender Abwägung anders geplant worden wäre. Von Einfluß sind Fehler nur dann, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß ohne den Mangel im Vorgang die Planung anders ausgefallen wäre. Es müssen objektive, den Akten oder anderen aussagekräftigen Unterlagen zu entnehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Stadtvertretung bei Kenntnis einer nicht berücksichtigten Äußerung anders entschieden hätte. Das ist etwa der Fall, wenn sich der Planungsträger von einem unzutreffend angenommenen Belang hat leiten lassen und andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen könnten, weder im Bauleitplanverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich sind (BVerwG, Urteil vom 21.08.1981,
a.a.O.).
Vorliegend ist der Stadtrat der Antragsgegnerin nicht von unzutreffenden Belangen ausgegangen. Er hat ausweislich der ihm zur Beschlußfassung vorgelegten Stellungnahme der Verwaltung zu den Bedenken und Anregungen der Gemeinde Pampow vielmehr Belange berücksichtigt (Unmaßgeblichkeit von Konkurrentenschutzerwägungen, landesplanerische Ansiedlungspriorität beim Oberzentrum etc.), die das erzielte Ergebnis rechtfertigen. Für die Annahme, die Antragsgegnerin habe unzutreffende Gesichtspunkte zugrundegelegt, spricht hingegen konkret nichts. Die nicht auszuschließende, theoretische Möglichkeit einer anderen Planungsentscheidung bei Kenntnis weiterer Informationen über Einzelheiten abwägungsbeachtlicher Belange reicht nicht aus.
Auch Fehler im Abwägungsergebnis sind bei Berücksichtigung der nur begrenzt zulässigen gerichtlichen Kontrolle des planerischen Ermessens der Gemeinde nicht ersichtlich. Es verstößt insbesondere nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, wenn die Antragsgegnerin die von der Gemeinde Pampow geltend gemachten, zuvor erörterten Belange des gemeindlichen Finanzwesens und der Beschäftigung der Arbeitnehmer in ihrem Gemeindegebiet hinter die eigenen Belange zurückstellt. Die Antragsgegnerin kann die Bevorzugung des eigenen Interesses an der Ansiedlung eines großflächigen Möbelmarktes auf sachgerechte Gründe stützen. Diese liegen insbesondere in der ihr raumordnungsrechtlich zugewiesenen Funktion des Oberzentrums, die die von der Landesplanungsbehörde genehmigte Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe rechtfertigt.
Die Entscheidung für die Ausweisung des großflächigen Möbelmarktes steht auch nicht im Widerspruch zu etwaigen Absprachen mit der Gemeinde Pampow Den vorliegenden Stellungnahme des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1992 kann lediglich die zwischengemeindliche Zustimmung zur Planung eines Möbelmarktes außerhalb des Oberzentrums, keinesfalls jedoch der darin von dem Antragsteller gesehene Verzicht auf eigene Ausweisung eines derartigen Betriebes entnommen werden. Für eine so weitgehende Einschränkung eigener Entwicklungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin fehlen jegliche Anhaltspunkte. Dagegen spricht nicht zuletzt, daß eine derartige Erklärung kommunalrechtlich der Mitwirkung der Gemeindevertretung bedurft hätte, die den zuvor erwähnten Äußerungen nicht zugrundeliegen dürfte.
Das Abwägungsergebnis steht schließlich - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht im Widerspruch zu der gemeindlichen Finanzhoheit (Art.
28 Abs. 2 Satz 3 GG). Die aus der Selbstverwaltungsgarantie abzuleitende Finanzhoheit gewährt den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (BVerwG, Beschluß vom 15.03.1989 - 7 B 108/88 -, NVwZ-RR 1989, 377, 37, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BVerfG). Eine Verletzung der Finanzhoheit liegt nur bei substantiellen Eingriffen in die Ausgabenwirtschaft der Gemeinde vor. Mögliche Belastungen mit Folgekosten reichen insoweit nicht aus (VerfGH NW, Urteil vom 28.01.1992 -
VerfGH 2/91 -, DVBl. 1992, 710, 713).
Die Antragstellerin macht keine Eingriffe in die Ausgabenwirtschaft geltend. Das Recht auf eine eigenverantwortliche Bewirtschaftung ihrer Haushaltsmittel wird durch eine Belastung mit Fürsorgeaufwendungen sowie durch Steuerausfälle nicht berührt. Die Gemeinde Pampow kann über ihr zur Verfügung stehende Haushaltsmittel weiterhin im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich entscheiden. Eine Verringerung dieser Mittel ist kein Eingriff in die Finanzhoheit. Es handelte sich dabei lediglich um durch nachteilig veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen verursachte - im vorliegenden Zusammenhang unmaßgebliche - Folgewirkungen.
Die Normenkontrolle bleibt danach ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §
167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 10,
711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.