Angaben zur Kreis- und Gemeindezugehörigkeit im Kataster; Beweisanforderungen an die Kommunalisierung von Flächen in der Nordsee
OVG Lüneburg, Urteil vom 19.01.1995 - Az.: 1 L 5943/92
Leitsätze:
1. Eintragungen im Liegenschaftskataster zur Kreis- oder Gemeindezugehörigkeit von Flächen kommt nur nachrichtliche Bedeutung zu; sie begründen keine Richtigkeitsvermutung. Ihre Änderung stellt daher nicht schon wegen ihres Inhalts einen Verwaltungsakt dar. (Leitsatz des Herausgebers)
2. Seewärts der Linie des mittleren Tidehochwassers der Nordsee gelegene Flächen gehören zu den sogenannten ursprünglich gemeindefreien Gebieten. Die Annahme, dass solche Flächen zu einer Gemeinde gehören, ist nur zulässig, wenn äußerst gewichtige, nahezu unerschütterbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einst kommunalisiert worden sind. Die bloße Verwaltungspraxis, sie im Kataster als gemeindezugehörig zu führen, reicht selbst dann nicht aus, wenn diese Praxis auf einer ministeriellen Weisung beruht. (Leitsatz des Herausgebers)
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Gründe
1. Der vom Kläger gestellte Aufhebungsantrag, die Änderung der Angaben zur Kreiszugehörigkeit im Liegenschaftskataster hinsichtlich der einzelnen im Klageantrag aufgeführten Flurstücke aufzuheben, setzt voraus, daß es sich bei dieser Änderung bzw. Berichtigung um einen Verwaltungsakt handelt. Gemäß §
35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Das Verwaltungsgericht bejaht lapidar mit einem Satz die Verwaltungsakteigenschaft der Berichtigung. Daran bestehen aber erhebliche Zweifel. Zweifel ergeben sich aus dem Regelungscharakter der die Kreiszugehörigkeit ändernden Eintragung. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, muß es sich bei der Eintragung der Kreiszugehörigkeit bzw. dem hier in Streit stehenden Hinweis "Kreiszugehörigkeit ungeklärt" um eine unmittelbare, für den Landkreis verbindliche Regelung von Rechten und/oder Pflichten oder eines Rechtsstatus handeln. Es muß sich um eine Regelung mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit einer der Bestandskraft fähigen Wirkung handeln (dazu Kopp, VwVfG, 5. Aufl., 1991, Rdnr. 32 zu § 35). Daß lediglich mittelbare Rechtswirkungen aus einem behördlichen Tätigwerden folgen, reicht zur Bejahung der Verwaltungsakt-Qualität nicht aus. Ursprünglich kam nicht einmal der Aufnahme und Feststellung der Grenzen der Gemeinden in das Liegenschaftskataster eine rechtliche Qualität zu. Dies folgt aus § 9 der Anweisung vom 7.5.1868 für das Verfahren bei den Vermessungsarbeiten zur Vorbereitung der Ausführung des Gesetzes vom 21. 5.1861, betreffend die anderweite Regelung der Grundsteuer in den Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen. Danach werden u.a. durch die Aufnahme und Feststellung der Grenzen der Gemeinden ... Rechte und Ansprüche der Gemeinden ... in keiner Art berührt oder beeinträchtigt, und erfolgen alle hierauf bezüglichen Anordnungen und Vereinbarungen ohne jegliche Änderung der bestehenden Kommunal- oder sonstigen Rechtsverhältnisse. Gilt dies sogar für den - weitreichenden - Nachweis der Gemeindegrenzen, gilt dies erst recht für den lediglich beschreibenden Hinweis der Kreis- bzw. Gemeindezugehörigkeit. Es spricht auch nichts dafür, daß sich an diesen rechtlichen Vorgaben in der Folgezeit etwas geändert hat. Den Angaben über die Zugehörigkeit zu kommunalen Gebietskörperschaften kommt allgemein nur eine beschreibende bzw. nachrichtliche Bedeutung zu. Sie nehmen insbesondere nicht an der durch das Grundbuch vermittelten Richtigkeitsvermutung (§
891 BGB) und an dem Gutglaubensschutz (§
892 BGB) teil (vgl. Möllering/Bauer, Niedersächsisches Vermessungs- und Katastergesetz, 1990 S. 117 f). Die lediglich mittelbaren Folgewirkungen im Rahmen der Berechnung von Finanzzuweisungen führen nicht dazu, daß allein deswegen der Berichtigung Regelungscharakter zukommt. Die Bescheide über Finanzzuweisungen sind eigenständige Verwaltungsakte, die selbständig angreifbar sind. Der Erlaß dieser Bescheide kann nicht dazu führen, daß gegen in völlig anderen Rechtsbereichen liegende "Vorbereitungsakte" ebenfalls Rechtsmittel eingelegt werden können.
Die mit der "inhaltlichen" Verwaltungsakt-Qualität zusammenhängenden Fragen können aber letztlich auf sich beruhen, denn bei der Berichtigung des Liegenschaftskatasters handelt es sich jedenfalls aus anderen Gründen um einen angreifbaren Verwaltungsakt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt als ein Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist nämlich nicht allein sein objektiver Erklärungsinhalt, sondern auch sein äußeres Erscheinungsbild. Entscheidend ist der objektive Sinngehalt, d.h., wie der Bürger - bzw. hier der Kläger als Behörde - unter Berücksichtigung der äußeren Form der Abfassung, der Begründung und insbesondere der Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung das Tätigwerden des Beklagten verstehen durfte bzw. mußte (Kopp, a. a. O., Rdnr. 6 zu § 35). Trifft eine Behörde aber nach der äußeren Erscheinungsform erkennbar eine verbindliche Regelung, handelt es sich allein deswegen um einen mit Rechtsmitteln angreifbaren Verwaltungsakt (Kopp, a.a.O., Rdnr. 33 f zu § 35). Hier hat die Bezirksregierung in ihrem veröffentlichten Erlaß vom 18.10.1989 ausdrücklich eine Regelung mit unmittelbaren Außenwirkungen treffen wollen. Dies ist nicht nur der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung zu entnehmen, sondern folgt auch unzweideutig aus der Begründung der Bekanntmachung.
Der Kläger wird durch diesen Verwaltungsakt auch in seinen Rechten möglicherweise verletzt (§
42 Abs. 2 VwGO). Dabei kann dahinstehen, ob dem Landkreis schon deswegen die Klagebefugnis einzuräumen ist, weil er - wenn auch im weiteren Sinne - Adressat der Bekanntmachung vom 18.10.1989 ist. Denn regelmäßig ist dem Adressaten eines Verwaltungsaktes wegen des regelnden Charakters der behördlichen Maßnahme auch die Klagebefugnis einzuräumen. Jedenfalls dürfen die Anforderungen an die Klagebefugnis nicht überspannt werden. Es entspricht der Rechtsprechung des BVerwG, daß die Klagebefugnis nach §
42 Abs. 2 VwGO dann gegeben ist, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen "möglich" ist (sog. Möglichkeitstheorie). Überspannt ein angerufenes Gericht bei dieser Prüfung die Anforderungen und weicht es dadurch einer Sachprüfung aus, so kann dies verfahrensfehlerhaft i.S.d. §
132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein (BVerwG, Beschl. v. 21.1.1993,
NVwZ 1993, 884). Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die Berichtigung ist "möglich". Denn die mit der Berichtigung verbundenen Folgeauswirkungen führen zu einer einschneidenden Veränderung der finanziellen Ausstattung des Klägers. Das Nds. Landesverwaltungsamt hat das berichtigte Liegenschaftskataster u. a. für seine Berechnung der Schlüsselzuweisungen für die Schülerbeforderung und auch für andere Finanzzuweisungen zugrunde gelegt. Dem Kläger vor diesem Hintergrund eine "mögliche" Verletzung seiner Rechte durch die Berichtigung abzusprechen, würde in der Tat einen nicht hinnehmbaren rechtsfreien Raum schaffen.
Richtiger Beklagter ist auch der Beklagte. Gemäß § 1 Abs. 1 NVermKatG vom 2.7.1985 (GVBl. S. 187), geändert durch Gesetz vom 19.9.1989 (GVBl. S. 345), obliegt die Führung des Liegenschaftskatasters den Vermessungs- und Katasterbehörden des Landes. Gemäß § 6 DVO NVermKatG vom 20.1.1986 (GVBl. S. 3) sind die Veränderungen im Liegenschaftsbuch und in der Liegenschaftskarte in den Diensträumen der Vermessungs- und Katasterbehörden offenzulegen, in deren Gebiet die betroffenen Liegenschaften liegen. Gemäß § 7 Abs. 1 DVO NVermKatG kann die Bekanntmachung der Offenlegung auch die örtlich zuständige Katasterbehörde vornehmen, hier also der Beklagte. Daß die Bekanntmachung über die Offenlegung auf einem Erlaß der Bezirksregierung vom 18.10.1989 beruht, ändert die originäre Beklagteneigenschaft des Katasteramtes nicht.
2. Dem beklagten Katasteramt steht für die von ihm durchgeführte Änderung bzw. Berichtigung der Angaben zur kommunalen Zugehörigkeit eine Ermächtigungsgrundlage zur Seite. Der Senat hat sich mit dieser Frage bereits in seinem Urteil vom 16.1.1995 -
1 L 2131/93 - dahingehend auseinandergesetzt, daß den Katasterämtern keine Ermächtigungsgrundlage zur Berichtigung von streitigen Grenzverläufen zusteht. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung, soweit es um die Berichtigung von durch ein vorausgegangenes formales Grenzfeststellungs- und Abmarkungsverfahren gesicherten Grenzen zwischen zwei Grundstücken geht (BVerwG, Beschl. v. 1.4.1971,
DÖV 1972, 174; BGH, Urt. v. 1.3.1973,
NJW 1973, 1077 = MDR 1977, 556; Leitsatzurt. d. Sen. v. 16.3.1987 - 1 OVG A 161/86; OVG Lüneburg, Urt. v. 17.1.1986 - 6 OVG A 20/85). Liegt eine bestandskräftig gewordene und von den betroffenen Grundstückseigentümern durch Unterschriftsleistung anerkannte Grenzvermarkung vor, stellt sich eine einseitige Änderung des Liegenschaftskatasters durch ein Katasteramt unter diesen Voraussetzungen als ein unzulässiger Eingriff in Eigentumsrechte dar. In seinem Urteil vom 16.1.1995 hat der Senat entschieden, daß den Katasterbehörden die Befugnis zur Berichtigung nicht nur in den Fällen eines durchgeführten Grenzfeststellungs- und Abmarkungsverfahrens nicht zusteht, sondern in allen Fällen eines streitigen Grenzverlaufes. Sogar und auch bei groben Widersprüchen zwischen einem örtlichen Grenzverlauf und dem in der Liegenschaftskarte nachgewiesenen Grenzverlauf (im streitigen Fall handelte es sich immerhin um eine Fläche von 478 m²) kann die Kompetenz zur Berichtigung nicht aus §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 1 NVermKatG und auch nicht aus §
42 VwVfG ("offenbare Unrichtigkeit") entnommen werden (a. A. allerdings OVG Münster, Urt. v. 12.2.1992,
NJW 1993, 217).
Die Verneinung einer Berichtigungskompetenz für das Liegenschaftskataster gilt aber nicht allgemein. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen inhaltlichen Eingriffen einerseits, namentlich den Eingriffen, die mit der gesetzlich unterstellten fiktiven Richtigkeit des Liegenschaftskatasters zusammenhängen und den nur nachrichtlich aufgenommenen bzw. beschreibenden Angaben im Liegenschaftskataster andererseits. Für die nur nachrichtlichen und beschreibenden Angaben stellt § 1 Abs. 1 i.V. m. § 11 Abs. 1 NVermKatG eine Kompetenznorm dar. Nach der erstgenannten Vorschrift obliegt den Vermessungs- und Katasterbehörden des Landes die "Führung des Liegenschaftskatasters". Der dann in § 11 NVermKatG umschriebene "Zweck und Inhalt" des Liegenschaftskatasters erfaßt nicht nur die Begrenzung und Bezeichnung der Flurstücke, den Gebäudebestand (Abs. 1), die Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten (Abs. 3), sondern auch weitere katasterrechtliche Realdaten. Dazu zählen z.B. bezeichnende Angaben wie der Name der Gemarkung, die Nummer der Flur und die Flurstücksnummer. Dabei handelt es sich um Ordnungsmerkmale, die der Individualisierung und Identifizierung der Flurstücke dienen. Sie sind der Einflußnahme durch den Eigentümer und Benutzer entzogen; sie werden in ausschließlicher Zuständigkeit vom Katasteramt festgelegt. Ihre Veränderung berührt grundsätzlich nicht die Rechtsstellung des Eigentümers (Möllering/Bauer, a.a.O., S. 115). Entsprechendes gilt nicht nur für die beschreibenden Merkmale wie etwa Lagebezeichnungen, Angaben über die tatsächliche Nutzung (Gebäude- oder Freiflächen, Angabe über die Nutzung), sondern auch für die Zugehörigkeit über die kommunale Gebietszugehörigkeit.
Steht dem Beklagten mithin für die vorgenommene Berichtigung bzw. Veränderung des Liegenschaftskatasters eine Ermächtigungsgrundlage zur Seite, muß sein Handeln aber auch rechtmäßig, also sachlich gerechtfertigt sein. Dies ist hier der Fall. Subjektive Rechte des Klägers werden durch die Eintragung "Kreiszugehörigkeit ungeklärt" nicht verletzt.
Der Gebietsbestand von Kreisen wird in § 13 Abs. 2 Satz 1 NLO umschrieben. Danach besteht das Kreisgebiet aus den zum Landkreis gehörenden Gemeinden und gemeindefreien Gebieten. Über Grenzstreitigkeiten entscheidet die Kommunalaufsichtsbehörde (§ 13 Abs. 3 NLO). Gemäß § 14 Abs. 1 NLO können aus Gründen des öffentlichen Wohles Grenzen eines Landkreises durch Eingliederung oder Ausgliederung von Gemeinden und gemeindefreien Gebieten geändert oder Landkreise aufgelöst oder neu gebildet werden. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 NLO geschieht eine Gebietsänderung durch Gesetz. Vor jeder Gebietsänderung sind die beteiligten Landkreise zu hören (§ 14 Abs. 2 Satz 2 NLO). Anders als bei der Umschreibung des Gebietsbestandes von Gemeinden, nach der aus Gründen des öffentlichen Wohles auch Grundstücke außerhalb einer Gemeinde verbleiben oder aus ihr ausgegliedert werden können (sog. gemeindefreie Gebiete, § 13 Abs. 3 Satz 2 NGO), gibt es in diesem Sinne keine kreisfreien Gebiete. Eine Gebietsfläche kann damit zwar gemeindefrei, nicht aber kreisfrei sein. Daraus, daß jede Gebietsfläche grundsätzlich einem Landkreis zugeordnet ist, folgt aber nicht, daß auch jede katastermäßig erfaßte Fläche des Staatsgebietes einem Landkreis zugeordnet sein muß. Neben den kommunalisierten Gebieten gibt es nämlich noch sog. ursprünglich gemeindefreie, und damit auch ursprünglich kreisfreie Gebiete (vgl. dazu umfänglich: Gronemeyer, a.a.O., S. 79 ff.; ferner OVG Lüneburg, Urt. v. 24.2.1981 -
DVBl. 1981, 876 = OVGE 36, 352; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, 1989, S. 42, Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 3. Aufl., 1992, § 16 Anm. 2). Grundsätzlich ist Gemeinde- bzw. Kreisgebiet nur Landgebiet (Gronemeyer, a.a.O., S. 79; OVG Lüneburg, Urt. v. 5.12.1991 - 10 L 48/89 - zu Anlandungsflächen im Dümmer; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 77), m.a.W., kommunalisierte Gebiete enden dort, wo einerseits das feste Land abschließt und andererseits der Meeresstrand bzw. das Meer beginnt. Der Verlauf der Grenzlinie zwischen Land und Nordsee bestimmt sich dabei nach der Linie des mittleren Tidehochwassers. Bei den in die Nordsee einmündenden Flüssen wird die landseitige Grenze zusätzlich durch einen sog. Mündungstrichter gewissermaßen in das Landesinnere verlängert. Die binnenwärtige Grenze des Mündungstrichters einer Bundeswasserstraße, wie hier auch der Elbe, wird durch die Stelle gekennzeichnet, von der an die bis dahin etwa parallel verlaufenden Ufer des Flusses sich trichterförmig zur offenen See hin erweitern (BVerwG, Urt. v. 21.8.1981 -
BVerwGE 64, 29 = ZfW 1982, 299; Urt. v. 5.12.1986 -
4 A 1.85). Die durch die MTHW-Linie im Mündungsbereich der Elbe gebildete Grenze ist hier nicht streitig.
Würde durch die Veränderung bzw. Berichtigung der bisher im Liegenschaftskataster eingetragenen Kreiszugehörigkeit nunmehr in die Angabe "Kreiszugehörigkeit ungeklärt" eine Gebietsveränderung eintreten, würde sich eine Lösung unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NLO kann eine derartige Regelung nämlich nur durch Gesetz erfolgen. Das ist hier - bislang - nicht geschehen. Das anstehende Verfahren beschränkt sich allerdings formal zunächst nur auf die "katasterrechtliche" Regelung der Angaben über die kommunale Gebietszugehörigkeit. Die dahinterstehende Frage, ob nämlich die streitigen Flächen aus "kommunalrechtlicher" Sicht auch tatsächlich zum Kreisgebiet gehören oder nicht, wird davon nicht berührt. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß allein die Angabe über die kommunale Zugehörigkeit im Liegenschaftskataster nicht dazu führt, daß es sich schon deswegen auch tatsächlich und rechtlich um ein kommunalisiertes Gebiet handelt. Der Beweis für die kommunale Zugehörigkeit wird weder durch katasterrechtliche Unterlagen noch durch Eintragungen im Grundbuch und auch nicht durch andere Unterlagen wie etwa das Grundsteuerkataster oder die Grundsteuermutterrolle erbracht. Ihnen kommt - je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles - lediglich Indizwirkung zu (Gronemeyer, a.a.O., S. 70). Tritt eine unmittelbare Veränderung von kommunalen Rechten des Klägers durch die Berichtigung nicht ein, ist insoweit auch eine Verletzung seiner Rechte zunächst nicht möglich.
Ein behördliches Eingreifen bedarf allerdings der Rechtfertigung. Es bedarf eines sachlichen Grundes, um eine jedenfalls über Jahrzehnte, teilweise seit 1871 unbeanstandet gebliebene katastermäßige Zuordnung nunmehr zu ändern. Vor diesem Hintergrund bedarf es nach Auffassung des Senates auch der Klärung der kommunalrechtlichen Seite. Die vom Beklagten vorgenommene Berichtigung des Liegenschaftskatasters ist aber auch vor diesem rechtlichen Hintergrund sachlich gerechtfertigt. Ob die jenseits der MTHW-Linie liegenden, katastermäßig erfaßten und dem Hoheitsgebiet des Beklagten zugeordneten Flächen kommunalrechtlich als Kreisgebiet oder als Küstengebiet zu bewerten sind, beurteilt sich grundsätzlich nach dem sog. historischen Prinzip und damit grundsätzlich nach den vorgefundenen historischen Grenzen (OVG Lüneburg, Urt. v. 24.2.1981,
a.a.O.). Idealfall einer an historischen Gegebenheiten ausgerichteten Grenzfeststellung ist das Vorhandensein eines staatlichen Hoheitsaktes, eines Gesetzesbefehles oder eines sonstigen verbindlichen Festlegungsaktes. Für eine derartige ausdrücklich vorgenommene Kommunalisierung der im Küstengewässer liegenden Flächen gibt der Sachverhalt nichts Greifbares her. Die Schilderung der Beigeladenen zu 1) belegt zwar eine im einzelnen wechselhafte Geschichte der angeführten Flurstücke. Daraus läßt sich aber eine ausdrückliche Kommunalisierung nicht herleiten. Dies gilt auch für ihre Vermutung, daß eine derartige Zuordnung in der Weisung des Preußischen Staatsministeriums vom 10.5.1929 liegen könnte. Es spricht vielmehr alles dafür, daß es sich dabei lediglich um katasterrechtliche Anordnungen handelte, nicht aber um eine ausdrückliche kommunale Gebietszuweisung dieser Flächen.
Liegen aber entsprechend eindeutige Feststellungsakte nicht vor, sind weitere Tatsachen zu ermitteln, die ihrerseits den Schluß auf die Existenz eines Feststellungsaktes zulassen. Dabei kommt der Eintragung in das Liegenschaftskataster und der verwaltungspraktischen Handhabung der Flurstücke in der Vergangenheit nach allgemeiner Auffassung eine gewisse Indizwirkung zu (vgl. u.a. Gronemeyer, a.a.O., S. 70). Diese Indizwirkung hat aber ein unterschiedliches Gewicht, und zwar je nachdem, um welche Flächen es sich handelt. Stehen Flurstücke im Streit, die herkömmlicherweise kommunalisiert sind, also etwa Landflächen, bei denen praktisch nur die Zuordnung zu einer von zwei sich streitenden Gemeinden offen ist, kommt der Indizwirkung eine große Bedeutung zu. Handelt es sich aber - wie hier - um seewärts der MTHW-Linie gelegene Gebiete, und damit um gewissermaßen traditionell ursprünglich gemeindefreie Gebiete, gilt der Gegenschluß. Dann müssen gewichtige, nahezu unerschütterbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß diese Flächen - entgegen dem Regelverlauf - zu irgendeinem Zeitpunkt kommunalisiert worden sind. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.