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Keine Verfassungsbeschwerde gegen Verletzung von Mitgliedschaftsrechten in kommunaler Körperschaft

BVerfG, Beschluss vom 02.07.1993 - Az.: 2 BvR 1130/93

Leitsätze:

Mitglieder einer kommunalen Vertretungskörperschaft sind Inhaber eines öffentlichen Amts und stehen dem Staat insoweit nicht als Bürger gegenüber. Daher können sie nicht durch Verfassungsbeschwerde beim BVerfG gegen eine angebliche Verletzung ihrer Mitgliedschaftsrechte vorgehen. Dies gilt auch für Streitigkeiten um die vorzeitige Beendigung des Mandats. (Leitsatz des Herausgebers)

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Tatbestand

Mit der Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer die Vorverlegung des Wahltermins vom Mai 1994 auf den 5. Dezember 1993 durch Art. 2 § 1 des Gesetzes über die Neuordnung des Kommunalwahlrechts im Land Brandenburg an.

Gründe

Das Verfahren der Verfassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall nicht statthaft.

Die Verfassungsbeschwerde ist der spezifische Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat. Sie ist "jedermann" gegeben, wenn die öffentliche Gewalt in die Sphäre des Bürgers eingreift, die durch Grundrechte oder grundrechtsgleiche Gewährleistungen gegenüber dem Staat gesichert ist (vgl. BVerfGE 4, 27, 30; 6, 445, 448; 60, 175, 201 f.; 64, 301, 312). Dagegen sind Streitigkeiten zwischen Staatsorganen nicht in dieser Verfahrensart, sondern in den dafür vorgesehenen Organstreitverfahren auszutragen (vgl. BVerfGE 15, 298, 302; 43, 142, 148 m.w.N.), soweit diese eröffnet sind. Dies gilt auch, wenn einzelne Abgeordnete geltend machen, in mit ihrem Status verbundenen Rechten verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 62, 1, 32 m.w.N.).

Die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Maßnahme betrifft die Beschwerdeführer nicht als "jedermann", sondern als Mitglieder der Vertretungen ihrer Wohnortgemeinden (Beschwerdeführer zu 1. bis 5.) oder als Stadtverordneten (Beschwerdeführer zu 6.) und damit als Träger eines Mandats. Denn belastende Wirkungen gehen für die Beschwerdeführer von dieser Regelung nur insofern aus, als ihnen hierdurch die Möglichkeit genommen wird, das ihnen übertragene kommunale Mandat bis zum Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Wahlperiode auszuüben. Daß es hierbei nicht nur um Rechte aus dem Mandat, sondern um dessen vorzeitige Beendigung geht, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung; auch die Auseinandersetzung um den Fortbestand des Mandats und des hiermit verbundenen Status seines Inhabers ist ihrem Wesen nach eine Organstreitigkeit (vgl. BVerfGE 6, 445, 448; 62, 1, 32).

Das Verfassungsbeschwerde-Verfahren ist auch nicht darum statthaft, weil die Beschwerdeführer eine Verletzung von Mitgliedschaftsrechten in einer kommunalen Vertretungskörperschaft geltend machen. Auch die Mandatsträger auf kommunaler Ebene sind Inhaber eines öffentlichen Amtes und üben kraft dieses Amtes hoheitliche Gewalt aus (allg. M., s. etwa Frowein, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Band 2, 1982, § 28 III 1; Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, Rz. 59; vgl. auch BGHZ 84, 292, 298 f.; BGH NJW 1989, 976, 978 zum "öffentlichen Amt" kommunaler Mandatare im Sinne von Art. 34 GG). Soweit sie um den Verbleib in diesem Amt streiten, stehen sie daher dem Staat nicht als Bürger gegenüber, sondern besitzen die Stellung eines in die staatliche Organisation einbezogenen Amtsträgers (vgl. Schmidt-Aßmann a.a.O.). Darum ist es ihnen verwehrt, gegenüber hoheitlichen Maßnahmen, die sie in ihrem Status als Mandatsträger betreffen, im Wege der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Grundrechten geltend zu machen (so auch für die - insoweit vergleichbare - Situation des Landtagsmandatars BVerfGE 43, 142, 148).

Danach gestatten die auf Art. 3 Abs. 1 GG und auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Rügen der Beschwerdeführer keine Nachprüfung der angefochtenen Gesetzesbestimmung im Rahmen eines Verfassungsbeschwerde-Verfahrens (so auch - mit Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG - BVerfG, Kammerbeschluß vom 30.06.1989, 2 BvR 1368/85 - zum Mandat auf Bezirksversammlungsebene, vgl. ferner zu Art. 28 GG BVerfGE 6, 376, 384). Daß demgegenüber die vorzeitige Abberufung eines Mitglieds einer Personalvertretung aus dem Amt mit einer auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde angefochten werden kann (BVerfGE 51, 77, 87 f.), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung; das Amt eines kommunalen Mandatsträgers ist mit der Stellung des Mitglieds einer Personalvertretung, zu dessen Aufgaben gerade die Wahrung der Rechte der Beschäftigten gegenüber dem Dienstherrn gehört, nicht vergleichbar.

Unerheblich ist insoweit auch, ob die Beschwerdeführer in der Lage sind, ihre Rechte im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage geltend zu machen (s. zu dieser Möglichkeit im Fall einer Vorverlegung eines Kommunalwahltermins etwa Umbach, Festschrift Zeidler, Band 2, 1987, 1235 [1246]; Clemens, in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, §§ 63, 64, Rz. 52). Denn in Frage steht hier nicht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, sondern deren Statthaftigkeit bei Streitigkeiten um die vorzeitige Beendigung von Mandaten in kommunalen Vertretungskörperschaften. Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt schon darum nichts anderes, weil diese Gewährleistung keine Rechte von Organen und Organteilen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften begründet (ganz hM, vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 19 IV, Rz. 148 m.w.N.; Schenke, in: Bonner Kommentar, Bearb. 1982, Art. 19 IV, Rz. 37 m.w.N.;), sondern stets eine im Interesse des Bürgers gewährte Rechtsposition voraussetzt (vgl. BVerfGE 27, 297, 305; 83, 182, 194).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.