Wettbewerbswidrige Kalkulation von Schwimmbadpreisen bei Sonderangeboten einer Kurverwaltung
OLG Schleswig, Beschluss vom 08.08.1995 - Az.: 6 U 73/94
Leitsätze:
Eine auf dem Gebiet der gewerblichen Zimmervermittlung tätige Kurverwaltung handelt im Sinne von UWG §
1 wettbewerbswidrig, wenn sie für die Kalkulation ihrer eigenen Sonderangebote niedrigere Preise für die Benutzung eines kommunal betriebenen Badezentrums einsetzt als sie den privaten Mitkonkurrenten auf dem Markt der Zimmervermittlung gewährt werden.
(amtlicher Leitsatz)
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Tatbestand
Die beklagte Stadt betreibt über ihre Kurverwaltung eine gewerbliche Zimmervermittlung und tritt damit zu privaten Zimmervermittlern in Konkurrenz. Um in der besuchsarmen Zeit Kurgäste in den Ort zu holen, hat sie für die ihr angeschlossenen Zimmervermieter Sonderangebote entwickelt. Den Kurgästen wurde in der Aktion "Badespaß" zu einem Pauschalpreis neben sieben Übernachtungen in einer komfortablen Ferienwohnung, einem Willkommenstrunk, einer Lübeck-Führung und einem Besuch im Casino insbesondere unbegrenztes Baden sowie Nutzung der Sauna im kommunalen Freizeitzentrum "Aqua-Top" angeboten. Dabei hat die Beklagte für die Benutzung des Badezentrums 70 DM Benutzungsgebühr in die Aktion "Badespaß" einkalkuliert. Die Klägerin als private Zimmervermittlerin hätte für von ihr etwa organisierte eigene Aktionen für den einwöchigen Besuch des Badezentrums erheblich mehr zahlen müssen.
Die Klägerin hält die Werbeaktion der Beklagten wegen Verstoßes gegen zugaberechtliche Vorschriften sowie gegen §
1 UWG unter dem Gesichtspunkt des zweckwidrigen Einsatzes öffentlicher Mittel für wettbewerbswidrig.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Daraufhin haben beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Gründe
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es hier billigem Ermessen, die Kosten zu verteilen. Denn eine entsprechende Kostenverteilung hätte sich gemäß den §§
97,
92 ZPO ergeben, wenn der Senat die Sache durch Urteil hätte entscheiden müssen. Die allein auf den Unterlassungsantrag bezogene Berufung hätte nämlich im wesentlichen Erfolg gehabt.
Die von der Klägerin angegriffene Werbeaktion der Beklagten "Badespaß" verstößt zwar nicht gegen die Vorschriften des Zugaberechts (1.), wohl aber gegen §
1 UWG (2.).
1. Ein Verstoß gegen zugaberechtliche Vorschriften (§§ 1 I 1 und 3 ZugabeVO) sowie gegen §
1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Koppelung mehrerer Leistungen zu einem Gesamtpreis (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 17. Aufl., § 1 Rn. 127, 128) scheidet schon deswegen aus, weil eine Koppelung einer (unentgeltlichen) Zugabe mit einer Hauptleistung vorliegt.
Eine Zugabe liegt nur dann vor, wenn neben einer Leistung (oder Ware) eine andere Leistung (oder Ware) angeboten wird, deren Abgabe vom entgeltlichen Bezug der Hauptleistung abhängig ist und die nicht besonders berechnet wird (vgl. OLG Stuttgart GRUR 1975, 322 - Hotelwerbung). Keine Zugabe liegt vor, wenn mehrere Leistungen zu einem Gesamt- oder Pauschalpreis gewährt oder angeboten werden. Ob eine von einer Hauptleistung abhängige unentgeltliche Zusatzleistung oder aber ein Gesamt- oder Pauschalpreis vorliegt, ist aus der Sicht der von der Werbeaktion angesprochenen Urlauber zu beurteilen. Diese Urlauber - das kann der Senat, der zu dem von der Werbung angesprochenen Personenkreis gehört, aus eigener Sachkunde feststellen (vgl. OLG Köln GRUR 1991, 703 - kostenloser Bootsservice) - verstehen aber den "Badespaß" eindeutig als ein entgeltliches Gesamtpaket. Es wird ein Pauschalangebot gemacht, wie in der Tourismusbranche üblich. Auch die Nachbargemeinden machen ähnliche pauschale Badeangebote. Kein Leser dürfte auf die Idee kommen, der ausgewiesene Preis sei allein die Gegenleistung für die Unterbringung. Er wird vielmehr davon ausgehen, dass es sich um einen von der Beklagten kalkulierten Pauschalpreis für alle angebotenen Leistungen handelt.
2. Die Aktion "Badespaß" ist aber nach den von der Rspr. erarbeiteten Grundsätzen zur Preisunterbietung durch die öffentliche Hand sittenwidrig i. S. v. §
1 UWG.
Anerkannt ist allerdings, daß der Zugang zum Wettbewerb auch der öffentlichen Hand grundsätzlich offensteht. Dabei darf auch die öffentliche Hand - wie allgemein im Wettbewerbsrecht - grundsätzlich die Preise ihrer privatrechtlichen Mitkonkurrenten unterbieten.
a) Wettbewerbswidrig ist eine Preisunterbietung durch die öffentliche Hand aber dann, wenn sie auf eine Ausschaltung oder Vernichtung privater Mitbewerber abzielt (von Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 20 Rn. 25; Baumbach/Hefermehl a.a.O., §
1 UWG Rn. 944). Diese Fallgruppe ist hier aber nicht einschlägig, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beklagte mit ihrem Pauschalangebot, dem ohnehin nur 14 Vermieter beigetreten sind, eine Ausschaltung oder Vernichtung privater Ferienwohnungsvermittler bezweckt.
b) Grundsätzlich ist auch der Einsatz öffentlicher Mittel zu Wettbewerbszwecken zulässig. §
1 UWG regelt nicht die Preispolitik der öffentlichen Hand. Wettbewerbswidrig kann aber eine zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel zur Unterbietung privater Mitbewerber sein. Eine sittenwidrige Preisunterbietung ist nach der höchstrichterlichen Rspr. in folgenden Fällen gegeben:
aa) Das RG (RGZ 138, 174, 178) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstößt, wenn eine Gemeinde ein der Jugendpflege dienendes, aus öffentlichen Abgaben der Bürger errichtetes und unterhaltenes Gebäude dazu verwendet, mit gewerbetreibenden Gemeindeangehörigen (Gastwirten) in geschäftlichen Wettbewerb zu treten und deren Preise zu unterbieten. Das RG hat dazu u.a. ausgeführt:
"Jedenfalls nimmt der Senat unbedenklich an, daß gerade mit Rücksicht auf die Stellung eines öffentlich-rechtlichen Verbandes und sein Verhältnis zu seinen ihm steuerpflichtigen gewerbetreibenden Angehörigen ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen kann, wenn die öffentlichen Mittel, die einer Anstalt zur Errichtung eines bestimmten, im öffentlichen Interesse zu fördernden Zwecks, wie der Jugendwohlfahrtspflege, zur Verfügung gestellt werden, ohne Zusammenhang mit diesem Zweck verwendet werden, um die Preise der Gewerbetreibenden zu unterbieten, die durch ihre Steuern die Mittel des Verbandes mit aufbringen, und wenn die Preisunterbietung dadurch möglich ist, daß die Verlustgefahr des Betriebs auf die Steuerzahler abgewälzt wird. Denn hierin läge ein schwerer Mißbrauch der Stellung des politischen Verbandes. Tatsächlich wäre die Beklagte, die selbst vorbringt, daß das Haus der Jugend stets erhebliche Zuschüsse gefordert hat, nicht in der Lage gewesen, im Wettbewerb mit des Gasthofbesitzern billigere Übernachtungspreise zu berechnen, wenn nicht der Verlust aus Mitteln gedeckt würde, die von den Steuerzahlern aufgebracht wurden, und die nur zur Erfüllung des eigenen Zwecks des Hauses - der Betreuung der Jugend - bewilligt worden sind. ... Dabei wäre es für die Frage, ob eine Handlung des unlauteren Wettbewerbs vorliegt, unerheblich, ob durch die Überlassung der Räume im einzelnen Fall ein Gewinn im kaufmännischen Sinne erzielt oder ob nur ein Teil der Gestehungskosten gefordert wurde. ..."
bb) Nach Auffassung des BGH (
GRUR 1982, 433, 436 - Kinderbeiträge) ist es wettbewerbswidrig, wenn ein Sozialversicherungsträger im Wettbewerb mit den privaten Krankenversicherern für freiwillig mitversicherte Kinder sozialversicherungsrechtlich zu niedrige Beiträge erhebt und den Fehlbetrag mit Mitteln deckt, die aus dem hierfür nicht bestimmten Beitragsaufkommen der Solidargemeinschaft der Versicherten stammen (vgl. auch von Gamm a.a.O., Rn. 26). Wörtlich hat der BGH (a.a.O., 436) ausgeführt:
"Eine Beitragsgestaltung für freiwillig Versicherte, die danach erheblich hinter dem sozialversicherungsrechtlich Gebotenen zurückbleibt und dadurch gegenüber den Beiträgen der Privatversicherer den Charakter von Dumpingpreisen erhält, ist wettbewerbswidrig i.S.v. §
1 UWG. ... In der Rspr. ist anerkannt, daß es ein Verstoß gegen die guten Sitten sein kann, wenn die öffentliche Hand mit Mitteln, die ihr kraft öffentlichen Rechts zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks zufließen, ohne sachlichen Zusammenhang mit diesem Zweck private Gewerbetreibende unterbietet und die Preisunterbietung dadurch ermöglicht wird, daß die Verlustgefahr auf den Steuer- und Beitragszahler oder sonst auf die Allgemeinheit abgewälzt wird (RGZ 138, 174). ..."
c) Nach Auffassung des Senats ist hier die Werbeaktion der Beklagten "Badespaß" unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wettbewerbswidrig, weil die Beklagte zweckwidrig öffentliche Gelder zur Preisunterbietung der Klägerin verwendet, wenn sie - wie geschehen - für ihre eigene Kalkulation Preise für die Benutzung des Badezentrums einsetzt, die sie ihren privaten Mitkonkurrenten auf dem Markt der Zimmervermittlung nicht gewährt.
aa) Der Senat muss dabei nach dem jetzigen Sach- und Streitstand davon ausgehen, dass die Beklagte etwa 70 DM Benutzungsgebühr für das Badezentrum in die Aktion "Badespaß" eingearbeitet hat. Einer entsprechenden Behauptung der Klägerin, die sie mit einer Kalkulationsgrundlage der Beklagten für eine andere Aktion substantiiert hat, ist die Klägerin nicht hinreichend konkret entgegengetreten.
bb) Der Senat muss ferner davon ausgehen, dass die Klägerin für ihre möglichen Aktionen einen entsprechend günstigen Preis für die Benutzung des Badezentrums bei der Beklagten nicht hätte erzielen können. Unstreitig beträgt der Tagespreis für den Besuch pro Person 22 DM, also für zwei Personen pro Woche insgesamt 308 DM. Nach dem Vortrag der Klägerin ist ihrem Geschäftsführer sowie ihrem erstinstanzlichen Prozeßbev. von der Beklagten lediglich auf entsprechende Anfrage ein Nachlaß von 15 % auf den regulären Eintrittspreis in Aussicht gestellt worden. Auch dem ist die Beklagte nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten. Ihr Hinweis darauf, dass möglicherweise bei zukünftigen Anfragen noch weiterer Verhandlungsspielraum bestehe, reicht insoweit nicht aus.
cc) Diese Preisunterbietung, von der der Senat bei streitiger Entscheidung der Sache nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ausgehen müßte, wäre auch wegen zweckwidriger Verwendung öffentlicher Mittel wettbewerbswidrig im Sinne der oben zitierten Rspr. des RG und des BGH. Die Beklagte konnte die günstigen Preise in der Aktion "Badespaß" nur deswegen anbieten, weil sie sich selber für das Badezentrum extrem günstige Konditionen gewährte. Würde sie für die Benutzung des Schwimmbades mit denselben Kosten kalkulieren müssen, wie - vor Abgabe der Unterwerfungserklärung - die Klägerin, sähen ihre Endpreise für etwaige Aktionswochen ganz anders aus. Die Beklagte benutzt also im Ergebnis Steuergelder - für die Errichtung und Unterhaltung des Badezentrums -, um mit günstigen Preisen in Konkurrenz mit der Klägerin als Privatvermittlerin an den Markt zu gehen. Dem kann man nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß es für die Stadt Lübeck nur gut ist, wenn die Beklagte in der "Saure-Gurken-Zeit" möglichst viele Gäste in den Ort lockt. Die Beklagte würde nämlich noch mehr Gäste werben, wenn auch private Zimmervermittler gleich günstige Pauschalangebote anbieten könnten. Unerheblich ist auch der Einwand, daß die zusätzlichen wenigen Gäste keine nennenswert höheren Kosten im Schwimmbad verursachen.
Denn darauf kommt es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung nicht an. Es ist nach Auffassung des Senats allein entscheidend, daß die Beklagte das von ihr betriebene - vom Steuerzahler finanzierte und unterhaltene - Badezentrum mit günstigeren Konditionen in ihre Kalkulation einsetzt, um in einem anderen Bereich - im Geschäft der Wohnungsvermittlung - den privaten Zimmervermittlern Konkurrenz zu machen.
II. 1. In der Berufungsverhandlung vor dem Senat hat die Klägerin klargestellt, dass sich ihr Unterlassungsantrag konkret auf die Aktion "Badespaß" beziehen soll. Gleichwohl ist der Antrag zu weitgehend, weil der Beklagten - auch - abstrakt verboten werden soll, "unentgeltliche Zusatzleistungen" in entsprechenden Aktionen anzubieten oder zu gewähren. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist aber davon auszugehen, daß die Klägerin unentgeltliche Zusatzleistungen nicht gewährt oder - was den Besuch im Casino gegen Vorlage der Kurkarte betrifft - nur solche unentgeltlichen Zusatzleistungen verspricht, die auch für die Gäste der Klägerin ohne Entgelt zu haben sind. Im Falle streitiger Entscheidung hätte daher der Unterlassungsantrag teilweise kostenpflichtig abgewiesen werden müssen. Der Senat hält es für angemessen, wenn sich die Klägerin deswegen mit einem Drittel an den Kosten der Berufungsinstanz beteiligt.
2. Die Kosten der ersten Instanz sind gegeneinander aufzuheben, weil die Klägerin hier voraussichtlich nicht nur mit einem Teil des Unterlassungsantrags, sondern auch mit dem Auskunfts- und Schadensersatzanspruch unterlegen wäre. Da die beiden letzteren Anträge hinter dem Unterlassungsantrag wertmäßig deutlich zurückstehen, ist es angemessen, die Kosten der ersten Instanz gegeneinander aufzuheben.