Das VG Gießen (Beschluss vom 11.06.2014 - 8 L 1249/14) hat mit einstweiliger Verfügung der Gemeinde Schöffengrund das Abräumen einer Grabstätte untersagt. In dem Streit geht es um ein Einzelreihengrab, in dem 1988 der Vater der Antragstellerin beigesetzt worden war. Die vorgesehene Ruhefrist in solchen Fällen beträgt wohl nach allen Friedhofsordnungen, die in der Gemeinde seitdem in Kraft waren (es sind mindestens drei), 25 Jahre. Damit wäre die Ruhefrist abgelaufen. Allerdings gab es 2008 eine weitere Bestattung - in das Grab wurde eine Urne mit der Asche eines weiteren Familienangehörigen eingelegt. Die 2008 geltende Friedhofsordnung der Gemeinde sah vor, dass sich die Ruhefrist für ein Reihengrab durch Beisetzung von Aschenurnen nicht verlängert. Darauf berief sich die Gemeinde, zumal eine Übergangsbestimmung in der geltenden
Friedhofsordnung von 2012 in § 39 Abs. 1 vorsieht, dass für bestehende Grabstätten die alten Vorschriften über Nutzungsdauer und Gestaltung weitergelten. Nebenbei bemerkt: Diese alten Vorschriften veröffentlicht die Gemeinde leider nicht online, obwohl sie durch die Übergangsregelung für viele Fälle trotz förmlicher Aufhebung weitergelten - eine Praxis, die leider auch bei Bund und Ländern verbreitet ist und ein Grund, Vorschriften, die noch gelten sollen, am besten erst gar nicht förmlich aufzuheben.
Auf das Gericht hat die Satzung allerdings wenig Eindruck gemacht. Bei der Rechtsfindung geholfen hat ihm der berühmte Blick ins Gesetz, hier in § 6 Abs. 2 des hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes vom 5. Juli 2007. Dort heißt es nämlich:
Die Fristen, in denen eine Grabstätte nicht erneut belegt werden darf (Ruhefristen), sind unter Berücksichtigung der Verwesungsdauer nach den im Einzelfall gegebenen Boden- und Grundwasserverhältnissen festzusetzen, betragen jedoch mindestens 15 Jahre.
Diese Bestimmung gilt auch für Urnen, und die 15jährige Mindestruhefrist für die 2008 ins Grab gelegte Urne läuft demnach erst 2023 ab. Als gesetzliche Bestimmung geht sie einer Gemeindesatzung natürlich vor. Freilich ist sie etwas schief formuliert, weil sie nur von der erneuten Belegung einer Grabstätte spricht, aber nicht vom vorangehenden Abräumen. Auf diese Spitzfindigkeit scheint die Gemeinde aber nicht ausgewichen zu sein, jedenfalls erwähnt das Gericht in seiner
Pressemitteilung (ein Volltext ist noch nicht veröffentlicht) nichts dergleichen.